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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gewordene Gegenstände bestimmt war. Da hingen alle meine Sachen. Außer ihnen war nichts zu sehen als ein alter Kasten, dem man es ansah, daß er von Ur-Urgroßvaters Zeit herstammte. Indem der Ustad auf dieses Gerätstück zeigte, sagte er uns folgende, mir damals unverständliche Worte, die ich aber bald darauf sehr wohl begriffen habe:
    „Wenn der Mensch wüßte, wie sehr ihm solche alte, anererbte Sachen schaden, die er in falscher Pietät mit sich durchs Leben schleppt! Für solche ‚erbliche Belastung‘ ist die ‚Rumpelkammer‘ noch viel zu gut! In solchen alten Gegenständen steckt ein ganzes Heer von geistig überkommenen Motten, Bohr- und Rüsselwürmern, welche, wenn man den Kasten öffnet, herausgekrochen und herausgeflogen kommen, um alles, was da Lebenswert besitzt, in zerfressenes Gerümpel und zernagte Lumpen zu verwandeln. Für solche Mottengeister gibt es nichts Heiliges, nichts unantastbar Hohes. Sie zerstören den königlichen Purpurmantel mit derselben Sicherheit, mit welcher sie den Hermelin der Wissenschaft zum kahlen Fell machen. Sie suchen das geistliche Gewand des Emir el Muminin (Oberster der Gläubigen) ebenso heim, wie sie sich in der Filzmütze der tanzenden oder heulenden Derwische eingenistet haben. Sie sitzen im Kaftan des Näbi (Prophet), im Turban des Sahibi Scheriat (Gesetzgeber) und in den Pantoffeln aller derer, die im Schatten solcher Vorschrift wandeln. Ganz außerordentliche Anziehungskraft aber hat auf sie das Papier, besonders das aus Lumpen fabrizierte. Man behauptet zwar, daß der Geruch der Druckerschwärze sie vertreibe, doch fand ich oft auch Druckpapier, aus welchem, wenn ich es zum Lesen auseinanderschlug gleich eine ganze Wolke mich umnachten wollte!“
    „Du sprichst in Rätseln“, sagte der Peder.
    „Wohl dir, daß es für dich Rätsel, aber keine Erfahrungen sind! Du hast es glücklicherweise wohl nur mit materiellen, nicht aber mit solchen geistigen Schädlingen zu tun gehabt, welche es trotz ihrer Mottenarmseligkeit wagen, sich selbst allein für nützlich zu halten, jeden edlen, freien Geist aber zum Ungeziefer zu rechnen! Und an diese Verdrehung der wirklichen Verhältnisse glaubt der ganze, ganze Pelz, in dem die Motten sitzen!“
    Sich hierauf mir zuwendend, sprach er weiter:
    „Aus diesem Kasten war das Gedeck, von welchem du oben im Wald gespeist hast. Das wurde von dir vielleicht für eine besondere Ehrung gehalten; aber es war etwas anderes. Es ist mein Leichengedeck. Ich ließ es dir zu deinem eigenen Todesmahl vorlegen. So dachte ich! Vielleicht ist es durch dich mein Auferstehungsmahl geworden, zu welchem ich dich, ohne es zu ahnen, eingeladen habe. Und schau hierher! Da hängen deine Gewehre und alle deine Sachen. Warum? Ich habe dich für gleich mit mir, für meinen geistigen Doppelgänger gehalten. Ich glaubte, du seist ganz denselben Weg gewandelt, den auch ich gegangen bin, und lebest jetzt in deiner ‚Hosiannazeit‘. Ich sah für dich die Zeit kommen, in der du hinauf geschleppt wirst nach Golgatha, wo die Kriegsknechte sich dein Gewand und deine Waffen teilen. Darum trug ich sie herauf und in diese meine Rumpelkammer, um dich zu bitten, ihnen hier freiwillig zu entsagen. Vor solchen Feinden ist's um jede Waffe schade! Tritt völlig ungerüstet vor sie hin! Des Geistes Harnisch ist zwar unsichtbar, doch keine Motte und kein Rüsselwurm wird sich an ihn wagen! Dies Ungeziefer sucht sich nur an solchem Kram zu atzen, der wohl auch ohne Mottenfraß von keiner Dauer wäre. – – – So dachte ich! Doch als ich zu dir kam, hinauf in meine ‚Gruft‘, damit du dich in mir erkennen möchtest, da hörte ich aus deinem Mund Worte, die mir aus jener Welt herüberklangen, in welche ich mich gern mit dir hinüberretten wollte. Bist du vielleicht schon drüben? Hast du den Weg, den unbeschreiblich schweren, auch ohne mich gesehen und erkannt? Hast du nichts von der Menschenfurcht und feigen Scheu gewußt, die einst mich zwang vor ihm zurückzubeben? Du sprachst so fest, so sicher, so bewußt, als hättest du schon längst erreicht, was ich erreichen wollte und dann doch fallen ließ. Sag mir auch jetzt ein festes, sicheres Wort! Du wirst wohl meine Frage kaum verstehen, doch krallt sich ihre Faust so tief in dich hinein, daß du vor Schmerzen dich zu winden hättest, wenn du in Wirklichkeit mein Doppelgänger wärst.“ Er stand hochaufgerichtet vor mir, das Licht in der Hand, und sah mir mit tief ernstem, forschendem Blick in die Augen. So,

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