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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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haben.
    Die Fenster der ganzen Wohnung waren hoch und breit, um möglichst viel Licht einzulassen. Aus dem mittelsten Gemach, welches ich zuerst betreten hatte, führte eine Tür hinaus ins Freie. Ich öffnete sie, um mich draußen umzusehen. Wie froh überrascht war ich, als ich sah, daß ich mich auf einem platten Dach befand, unter welchem jedenfalls die Wohnung des Ustad lag. Hier oben gab es nichts als nur die von mir beschriebenen drei Stuben. Sie waren von der Vorderfront des Hauses so weit zurückgesetzt, daß man diesen schönen Vorplatz gewonnen hatte, welcher mir die allerfreieste Aussicht nach Norden, Osten und Süden bot, während auf der Westseite der Weg hinauf nach der Glockenhöhle an mir vorüberführte.
    Es ist eine meiner Eigenheiten, so viel wie möglich im Freien zu arbeiten selbst auch des Abends und des Nachts. Ich kann sagen, daß ich meine glücklichsten geistig belebtesten und fruchtbarsten Zeiten auf den platten Dächern des Morgenlands verlebt habe. Wer des Nachts unter funkelndem Sternenhimmel von den Dächern Siuts hinauf nach der Höhe des Stabl Antar, von Jerusalem hinüber nach Mar Eljas, von Tiberias über den Genezareth, vom herrlichen Brummana des Libanon hinunter auf die Lichter und den Hafen von Beirut geschaut hat, dem werden diese Stunden lebenslang im Gedächtnis bleiben. Und nun auch hier vom hohen Haus aus der unbeschreiblich schöne Blick hinaus und hinein in die orientalische Nacht, die nicht so wie die abendländische nur vom Abend nach dem Morgen schreitet, sondern vom Paradies nach dem Paradies wandelt!
    Da hörte ich ein Geräusch. Ich schaute mich um und sah den Ustad, welcher bei mir eingetreten war. Er bemerkte, daß ich mich auf dem Vorplatz befand, und kam heraus. Ich lehnte an der Brüstung. Er sagte nichts. Die Hände auf die Steine vor uns legend, schaute er still auf den See hinab. Ich hörte seinen Atem leise gehen. Da, nach einer kleinen Weile, wandte er sich mir halb zu und sprach, nach unten deutend:
    „Der See denkt jetzt in tiefer Andacht nach,
Was er vom Herrn wohl mit der Sonne sprach.
Sie schaute ihm dabei ins Herz hinein.
Woher mag wohl der Blick gewesen sein?
Und sieht er, daß in seiner klaren Flut
Das Bild des ganzen, ganzen Himmels ruht,
So sendet er der Sonne Blick und Licht
Auch mir ins Herz als Lob- und Dankgedicht!“
    Wie seltsam! Soeben waren ganz ähnliche Gedanken in mir aufgestiegen! Doch sagte ich nichts. Ich konnte kein Wort finden, welches wert gewesen wäre, jetzt gesprochen zu werden. Dieses Gedicht war im jetzigen Augenblick in ihm entstanden. Daß er es sofort in laute Worte gefaßt hatte, war mir ganz selbstverständlich. Jeder Dichter pflegt das zu tun. Er wandte sich wieder ab und sagte nach kurzer Pause, an seine letzten Worte anknüpfend:
    „Es war ja heut ein Tag des Lobes und des Dankes. Er ist für mich noch nicht vorüber; er hallt noch in mir nach. Du warst dem leiblichen Sterben nahe, bist aber noch vor dem Tod wieder auferstanden. Darum zogen wir hinauf zu unserm Haus des Herrn.“
    „So laß mich dafür danken, daß auch du jetzt wieder lebst“, sagte ich.
    „Ich?“ fragte er schnell.
    „Ja. Ich war dem Tode nahe; du aber bist gestorben.“
    „Wer hat es gesagt? Wer hat es dir gesagt?“
    „Pekala. Durfte sie es nicht?“
    „Sie weiß, daß ich vor dir kein Geheimnis haben will. Aber sie hat dich falsch unterrichtet.“
    „Hast du ihr nicht gesagt, daß dein Sterbetag gewesen sei? Hast du nicht auch zu mir vorhin von deiner Gruft gesprochen?“
    „Allerdings. Aber ich bin von euch beiden falsch verstanden worden. Meine Gruft ist nicht mein Grab. Nur das, was in mir abgestorben ist, liegt da begraben. Mein Sterbetag war der, an dem es starb.“
    „So wünsche ich dir von ganzem Herzen, daß du recht haben mögest! Ist es schon so traurig Liebes in sich sterben zu fühlen, so muß es ja entsetzlich sein, sich zwar körperlich noch am Leben, aber als geistig vollendete Individualität bereits gestorben und begraben zu wissen!“
    Er schaute mir in das Gesicht, längere Zeit. Dann strich er sich mit der Hand über die Stirn, als ob er etwas von dort zu entfernen habe, und sprach: „Ich kann mir allerdings nichts Furchtbareres denken als das, was du soeben sagtest. Aber trotz allem, was in mir gestorben ist, ich selbst bin mit dem, was du meine geistige Individualität nennst, noch heut bei vollem Leben.“
    „Gott gebe es!“
    Der Ton, den ich unwillkürlich diesen drei Worten gab, machte, daß der Ustad

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