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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Auferstehung ereignen könne, nämlich eine Wiederkehr aus dem Land der Totgeglaubten. Ich war darum gewillt, womöglich mit diesem Kaufmann selbst zu sprechen.
    Zunächst aber war meine Zeit für den Ustad in Beschlag genommen, über dessen Vergangenheit ich jetzt einen Bericht zu erwarten hatte, der für mich so wichtig werden sollte, wie ich es jetzt, in diesem Augenblick, gar nicht ahnte. Wir kurzsichtigen, unwissenden Menschen, die wir auf ganz verkehrten anthroposophischen Wegen wandeln, sind vollständig blind und taub gegen die große Wahrheit, daß der eine sich in dem andern zu erkennen habe. Der Gesamtmensch ist jedem einzelnen derart eigen, daß nicht nur die körperlichen und geistigen Gesichtszüge, sondern auch die Lebensführungen von Personen, die uns bei oberflächlicher Betrachtung als sehr verschieden erscheinen, doch mit absoluter Notwendigkeit große innerliche Ähnlichkeiten, ja oft sogar Gleichheiten besitzen müssen, durch welche die Menschenkenntnis ganz unbedingt zur Selbsterkenntnis werden müßte, wenn wir nicht die fatale Eigenheit besäßen, uns mehr nach bösen als nach guten Menschen umzuschauen und den Zusammenhang mit der Menschheit nur in unser eigenes Belieben zu stellen. Wie sich der Kreislauf des Blutes durch Millionen Körper auf ganz dieselbe Weise vollzieht, so pulsiert in diesen Millionen auch der Geist durch gleiche Adern, und wenn diese letzteren sichtbar vor unsern Augen lägen, so würden wir gar wohl bemerken, daß unter tausend auf den Seziertisch gelegten Geistern es nicht einen einzigen gäbe, der sich sowohl anatomisch als auch in Beziehung auf seinen Vitalismus und das, was ich vorhin Lebensführung nannte, derart von den andern unterschiede, daß es dem Professor nicht mehr möglich wäre, an ihm allein in aller Ausführlichkeit zu demonstrieren, warum alle übrigen nun jetzt mit ihm das gleiche Schicksal haben.
    Wer hat jetzt noch Lust, dem kühnen oder vielleicht auch kranken Sprachgebrauch zu folgen und Geister zu distinguieren? Während der eine Mensch durch eine ebenso mühevolle wie langweilige Addition selbst bei einem achtzigjährigen Leben nicht dazu kommt, die Summe zu erreichen, wird der andere schon in seinem zwanzigsten Jahr durch eine schnelle Multiplikation zu dieser Summe geführt. Aber jeder einzelne der treu und gewissenhaft zusammengestellten Summanden des ersteren wiegt vor den Augen des höchsten und gerechtesten aller Geister mehr als das ganze durch eine bequemere Rechnungsart vollständig mühelos gefundene Produkt des letzteren. Der kleinste Geist kann groß trotz seiner Kleinheit, der größte aber klein trotz seiner Größe sein. Unter den Geisterlein und sonst noch spukenden Winzigkeiten, welche mich vorhin bei der Lampe des Ustad belästigten, hat sich wahrscheinlich manche Längstvergessenheit befunden, welche damals, als man sie ihm auszublasen begann, zu den Geistesgrößen gerechnet wurde. Jetzt nun haben diese aus dem Leben geschwundenen Größen in der ‚Gruft‘ des ‚hohen Hauses‘ traurige Wache zu halten, daß die Lampe ja nicht wieder angebrannt werde!
    Es ist mir im vorhergehenden nicht eingefallen, anzudeuten, daß ich nicht an Geistesgrößen glaube. Sie waren da, sie sind da, und sie werden immer vorhanden sein; aber sie waren und sind es nur für die Menschen, doch nicht für den, der alle Nieren prüft. Er sendet die Jahrhunderte, in deren Verlauf sich ihre Größe zu bewähren hat, und wenn sie vorüber sind, so waren sie wie ein Tag der heut vergangen ist. Für die nie versiechende Fülle der Ewigkeiten hat dann jeder, selbst der berühmteste Menschenname doch nur diesen einen Tag gelebt. Aber der Segen, den ein Menschenkind dem andern brachte, reißt sich vom Namen los, und wohl dereinst dann dem, dem es vergönnt ist, aus seiner irdischen Berühmtheit emporzusteigen, um dort in diesem Sinne namenlos zu werden!
    Woher diese Gedanken? Umwehte mich hier auf dem freien Platz vor der ‚Gruft‘ eine jener geistigen Atmosphären, welche sich aus solchen namenlos gewordenen Bestandteilen zusammensetzen? Kamen die vom Staub befreiten Gedanken guter, edler, hoher Abgeschiedenen hier zusammen, um sich da oben im Alabasterzelt zur Fahrt gen Himmel zu vereinigen? Ich konnte mich nicht länger mit ihnen beschäftigen, denn der Ustad kam jetzt zurück und bat mich, mit ihm in die Bibliothek zu gehen. Er griff nach der Lampe, um sie mitzunehmen. Als er sah, daß mein Blick an der Schrift des Schirms hängen blieb, sagte

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