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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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aufrecht, selbstbewußt, eine kraftvoll und unabhängig sich bewegende Persönlichkeit! Wie aber der Schatten? Er hatte sich aus dem Schmutze entwickelt, den ich mit Füßen trat! Aus ihm war er unter diesen meinen Füßen hervorgekrochen! Aus ihm hatte er versucht, sich an mir emporzurichten, wohl gar über mich hinaus ins Sonnenlicht zu ragen! Aber es gibt keinen Schatten, der nicht fallen muß! Auch dieser mein ultramonströser Schatten fiel! Er konnte und durfte nichts als fallen – fallen – fallen! Das ist das furchtbare Schicksal jedes Schattens – jeder Dunkelheit – jeder Finsternis! – Und das Selbstbewußtsein? Konnte der Kopf meines Schattens überhaupt etwas enthalten? Ja? Nun dann aber ganz gewiß nicht ein eigenes Selbstbewußtsein, sondern nur die schattenhafte Verzerrung des meinigen! Infolge dieser Verzerrung glaubte er wahrscheinlich, mich zu haben; aber ich, ich hatte ihn! Er war Schatten; er ist Schatten, und er wird Schatten bleiben! Er braucht volle Menschheitspersonen, um durch sie zu existieren. Finden sie sich nicht ein, um ihn zu werfen, wie man eben Schatten wirft, so kann er es nicht einmal zum bloßen Schemen bringen; er ist ein – – – Nichts! – Und die kraftvoll und unabhängig sich bewegende Persönlichkeit? Jeder Schatten bedeutet fehlendes Licht. Ein Mensch, der sich zum Schatten anderer macht, hat seinem Geist und seinem freien Eigenleben entsagt. Er ist eine unselbständige Dunkelexistenz geworden, die überall, wo Licht vorhanden ist, nach Trübem, Düsterem und Finsterem hascht. Diese Lichtscheu wirkt genau so wie die Wasserscheu. Sie gibt sich ganz und gar der Tollheit hin und folgt von Schritt zu Schritt, nur um zu beißen!“
    Der Ustad hielt nach dieser längeren Gedankenfolge inne. Man sah es ihm an, daß er keine Bemerkung von uns erwartete. Ich hätte wohl manches einzuwenden gehabt, sah aber keinen zwingenden Grund, dies augenblicklich zu tun. Gegen derartige Ansichten und Anschauungen hat man vorsichtig zu verfahren. Es gibt Meinungsverschiedenheiten, die nicht im Handumdrehen, sondern nur mit Hilfe der Zeit zu beseitigen sind, und hier schien es mir, als ob grad diese Zeit es sei, die solche bittere Gedanken in ihm befestigt hatte. Er fuhr nach dieser Pause fort:
    „Hast du, Effendi, einen Mann gekannt, Hadschi Halef Omar, den Scheik der Haddedihn vom Stamm der Schammar, der bereit war, mit seinem deutschen Sihdi alle Qualen der Erde und der Hölle zu erdulden und tausend-, tausendmal für ihn zu sterben?“
    Ich nickte nur.
    „Du Glücklicher! Ich hatte keinen, keinen Halef! Ich besaß nicht einen einzigen Freund, der deinem Hadschi auch nur einigermaßen ähnlich gewesen wäre! Und doch gab es so viele, viele, die sich meine Freunde nannten, als ich in der Mitte meines Sonnentages stand! Sie wollten nichts von mir; sie verlangten nichts von mir; sie forderten nichts von mir; aber sie liebten mich alle, alle, alle so wahr, so treu, so innig! Nur eins sollte ich ihnen bringen, weiter nichts, weiter gar nichts: nämlich Opfer, wieder Opfer und immer wieder Opfer! Und ich brachte sie! Wie gern! Ich liebte ja die Menschen alle, alle! Ich glaubte, daß sie meiner Liebe wert seien. Ich wußte nicht, daß es klug sei, nicht den einzelnen an sich, sondern die Menschheit in ihm zu lieben. Meine Freunde aber überschüttete ich mit doppelter Liebe! Da kam der Augenblick, an welchem ich bemerkte, daß meine Sonne sich schief zu mir gestellt hatte.
    Welche unerwartete Wirkung fand sich da ein! Auch an meinen Freunden und sonstigen Bekannten begann jetzt so vieles schief zu werden! Sie dachten schief über mich; sie sprachen schief von mir; sie sahen mich schief an! Die Sonne wich mehr und mehr von mir zurück; mein Schatten wuchs; meine Freunde wurden immer schiefer! Gegen Abend ging es schneller mit der Sonne; mein Schatten füllte hinter mir schon die ganze Strecke bis zum Horizont aus; meine Freunde waren jetzt so sehr schief geworden, daß gar nicht ausbleiben konnte, was nun geschehen mußte: Sie verloren das Gleichgewicht; sie begannen auch zu fallen, einer nach dem andern, ganz genau so, wie mein großer Schemen fiel! Wohin fielen sie? Natürlich hinter mich, als meine Schatten, Schatten, Schatten! Ich warf sie fort nach hinten, hinweg zu ihm, der sich als ‚Erdengott‘ gebärdete. Er verschluckte sie mit wahrer Orkusgier.
    Sein Nichts blähte sich nach dem Fräße dieser vielen tausend Nichtse zu einem so undenkbaren Nichtse auf, daß er dünner

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