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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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heimlichen Sünden zu suchen. Sie war so unvorsichtig Briefe zu schreiben, in denen sie fragte, ob man vielleicht etwas gegen mich wisse. Man brachte mir solche Briefe. Wenn ich sie nicht gesehen und gelesen hätte, so würde ich heute wahrscheinlich glauben, daß es gar keine Furien gebe. Du siehst also, daß sie nicht bloß mythologische Gestalten, sondern noch jetzt lebende Wesen sind! Schatten, die unhörbar leise hinter meinem Rücken schleichen, um sogar die verborgensten Bewegungen meines Lebens aufzufangen, damit man sie selbst trotz ihrer Dunkelheit für reine, lichte Wesen halte! Glaubst du, was ich dir da erzählte, Effendi?“
    Er wartete meine Antwort gar nicht ab, sondern fuhr fort:
    „Du hast gelächelt, und jetzt lachst du gar! Und zwar so eigentümlich! Warum? Du machst mich aufmerksam! Solltest vielleicht auch du – du – – – du – – –? Doch nein! In deinem frommen Christenland kann es ja niemals solche Furien geben! Denn würde eine entdeckt, so müßte sich die ganze Christenheit, die volle Priesterschaft an ihrer Spitze, erheben, um entrüstet nachzuweisen, daß ihre Liebes-, Gnaden- und Verzeihungsreligion unmöglich Eumeniden dulden kann! Verzeih mir! Verzeih mir im Namen deiner Christenheit, daß mir auch nur der Gedanke hieran kommen konnte! Ich sehe zu meinem Erstaunen, daß ich noch Schatten werfe, sogar auf dein geliebtes Abendland hinüber!“
    „Beruhige dich!“ bat ich ihn. „Der König des Schattenlandes, von welchem dein Märchen erzählte, hat Untertanen überall. Auch bei uns! Doch will ein solcher Schatten einmal zur Furie werden, so behandeln wir ihn anders, als du deine Eumeniden behandelt hast. Wir lassen ihn sein trauriges Werk vollenden. Wir stören ihn nicht. Es ist ja doch wohl mehr als Strafe genug für ihn, daß er es tut! Wir sagen ihm sogar noch Dank dafür, jedoch nur öffentlich, selbst wenn er heimlich wirkt. Du siehst, wir haben sogar für die Furien nur Liebe und Verstand! Wir Christen wissen nur zu gut: Es kommt die Zeit, in der die Schatten schwinden. Was dann aus ihnen wird, das wissen wir zwar nicht, doch sagt das heilige Buch: ‚Ihre Werke folgen ihnen nach!‘ Und ich, ich möchte dereinst mit solchen Werken nichts zu tun haben. Ich habe mit den Menschen, selbst mit solchen Furien, nachsichtig zu sein, weil ich wünsche, daß Gott dann, wenn es sich um meine Abrechnung handelt, auch gnädig mit mir sein möge!“
    Da sagte er in plötzlich ganz anderem Ton:
    „Du sprichst von einem ‚Wir‘. Etwa mit Überzeugung Effendi? Spielen wir Komödie miteinander? Denken und handeln wirklich alle Christen so, wie du mit diesem ‚Wir‘ mich glauben machen willst?“
    „Komödie?“ fragte ich. „Wer hat damit begonnen, ich oder du?“
    „Wieso ich?“
    Jetzt war er es, welcher bei diesen zwei Worten lächelte. Dieses Lächeln verriet mir, daß es ihm ganz lieb sei, von mir verstanden worden zu sein. Doch drängte ich ihn noch weiter, indem ich sprach:
    „Wie war deine Bitte um Verzeihung gemeint, Ustad?“
    „Ganz so, wie du willst; ganz so, wie du sie betonst. Man kann mit genau denselben Worten Glauben oder Zweifel, Vertrauen oder Mißtrauen, Lob oder Tadel aussprechen. Es kommt auf den Ton an und auf den Willen dessen, zu dem man redet. Du bist kein Kind. Ich weiß, daß ich nicht nötig habe, gegen dich auch noch in der Betonung deutlich zu sein, wenn ich es schon in den Worten, welche ich wähle, bin. Ich könnte dir eine große Überraschung bereiten, wenn ich dir sagte, wer und was meine Schatten, meine Furien waren. Denke jetzt einstweilen nicht an ein bestimmtes Land! Tue das nun selbst, was du mir angeraten hast: Abstrahiere einmal! Ich werde erst später hierüber sprechen. Nur eine Mitteilung eine einzige, will ich dir heute schon machen. Sie betrifft – – – doch nein! Auch hierzu bist du noch nicht vorbereitet! Es muß ja alles kommen, wie es kommen soll, aber scheinbar ganz von selbst. Jede Entwicklung welche Sprünge macht, ist eine falsche. – Bitte, kehren wir lieber und endlich, endlich wieder zu dem Brief des Multasim zurück!“
    Er hatte ihn vorhin fortgelegt. Jetzt nahm er ihn wieder in die Hand, um nun auch die Rückseite zu betrachten.
    „Kein besonderes Petschaft!“ sagte er. „Man hat den Brief mit einem goldenen Tuman versiegelt. Das kann ein jeder tun, der ein Goldstück besitzt, ist also gleichgültig für uns.“
    „Nein“, sagte ich. „In solchen Dingen hat auch der geringste Nebenumstand

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