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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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entflohenen Soldaten eingefangen und brachten sie wieder; ein Offizier oder gar der Bluträcher war aber nicht dabei. Darum bedeutete ich ihnen, diese ganz gewöhnlichen Menschen einfach aus dem Dorf zu schaffen und dann laufen zu lassen, dafür aber um so mehr acht auf ihre Pferde und andern Tiere zu geben, auf welche man es sehr leicht abgesehen haben könne. Beim Anbruch des hellen Tages sei dann die Gegend nach den Flüchtlingen abzusuchen und jeder Zurückgebliebene mit der Peitsche zu belehren, daß er hier bei den Dschamikun nichts mehr zu suchen habe. Hierauf entfernten sie sich, und das Tor wurde nun wieder verriegelt. Darauf fragte mich der Ustad, was jetzt zunächst und vor allen Dingen noch zu tun sei.
    „Zunächst und vor allen Dingen?“ antwortete ich lächelnd. „Vor allen Dingen schlafen wir.“
    „Ich auch?“
    „Jawohl! Es wird uns kein Fremder wieder stören.“
    „Möglich; aber wir haben noch so viel zu besprechen und noch so viel zu bestimmen!“
    „Mein Freund, wir haben schon viel zu viel besprochen, weit mehr, als nötig war und nötig ist. Und zu bestimmen? Dazu ist Zeit, wenn wir geschlafen haben, bevor du reist. Laß mich dir offen sagen: Das Wort hat dann nur Wert, wenn es sich zur Tat gestaltet. Laß uns also von nun an mehr in Taten als in Worten sprechen! Daß der heutige Abend und ein Teil der Nacht so reich an Worten war, ist zu begreifen. Der vorangehende Tag gab uns den Stoff dazu, und dann war es ja Nacht; die Nebel wallten. Komm noch einmal mit mir herauf! Wir wollen sehen, ob sie noch da, ob sie vorhanden sind.“
    Wir stiegen in meine Wohnung, wo die Lampe noch brannte; ich löschte sie aber aus. Unten in der Halle und unter den Bäumen des Hofes war es noch ganz dunkel gewesen. Hier oben aber führte die offenstehende Tür hinaus ins Freie und Schattenlose.
    Als wir hinaustraten, standen die Bergeskuppen des Ostens bereits in wasseropales, bläuliches Hell getaucht. Hoch über uns lüfteten sich die Maschen des nächtlichen Schleiers, um vom Schein des Tages aufgelöst zu werden. In der Tiefe lag der See auch jetzt noch wie im Traum, aber dieser Traum war klar, von trüben Schatten rein. Und die Nebel, die wir vorhin noch gesehen hatten? Verschwunden! Wohin? Wer kann es sagen!
    „Nun?“ fragte ich, hinunter nach dem Wasser deutend.
    „Fort!“ antwortete der Ustad.
    „Und hier?“
    Ich zeigte hinein nach der Bibliothek. Da holte er tief Atem und sagte:
    „Ja, auch das waren Nebel, waren Dünste, und doch etwas ganz anderes! Wie soll ich es nur nennen?“
    „Du hast es bereits genannt und trafst den rechten Namen, als du behauptetest, daß es auf deinem Grab irrlichteliere. Die Dünste hatten Flackerschein zu geben, um von ihm vollends weggezehrt zu werden. Verstehst du nun, was ich meinte, als ich von allzu vielen Worten sprach? Es ist geflackert worden. Wo? Über alten Sümpfen! Das schadet nichts; es reinigt sich die Luft. Dann sinken die Schwärme der stechenden Insekten nieder, und freundliche Gedanken kommen, den hellen Tagesfaltern gleich, herbei, um Häßliches und Scharfes abzulösen. Du sprachst von deinem Grab, deiner Gruft, die hier in diesen deinen Räumen liege. Glaubst du, daß dies richtig gewesen sei?“
    Er sah einige Zeit nachdenklich vor sich nieder und antwortete dann:
    „Du weißt, daß man sich von alten, angewohnten Namen und Bildern nicht leicht zu trennen vermag.“
    „Jawohl. Aber was wäre dann dein Alabasterzelt? Etwa das Mausoleum über der geliebten Gruft?“
    Da fuhr er zusammen, schaute mich wie froh erschrocken an und rief aus:
    „Effendi, Effendi! Was sagst du mir da für ein Wort! Was du mit keiner Rede des gestrigen Tages und der ganzen Nacht erreichtest, das sagst und beweist du mir durch dies einzige Wort! Wer sein Zelt für so hoch oben baut, den kann vielleicht die Narrheit für gestorben halten, doch ist für diese Narrheit wohl jeder Kluge tot, und weil sie mich für tot hält, bin ich lebend! Effendi, du hast recht: Wir haben lange, lange Stunden miteinander geflackert und irrlichteliert: es mag auch heilsam gewesen sein, der stechenden Insekten und des Nachtgewürms wegen; aber jetzt, jetzt erst, nachdem es Tag zu werden beginnt, hast du mir endlich das klare Wort und richtige Licht gegeben, in welchem ich erkenne, daß es nur an mir liegt, ob ich der Narrheit den Gefallen tun will, tot zu sein!“
    „So schau hin gegen Osten! Dort bildet sich der erste Purpursaum, und leise Strahlen küssen ihn von fern. Reich an

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