2305 - Jagd auf die Dunkelkapsel
musste wie er.
Ziriums Gestank war anfänglich kaum auszuhalten. Er atmete – in wesentlich langsamerem Rhythmus als er – und blies dabei faulige Atemluft hoch in die Luft.
Tag für Tag.
Irgendwann schaffte er es, seinen Schnabel zu bewegen. „Ich ...asse dich!", waren die ersten Worte.
„...eichfalls", zischelte Gamauf leise.
„Ich sehe, dass ihr beide guter Laune seid", sagte Tomf lächelnd.
Sein violettes Auge war mittlerweile verschwunden und hatte einem kreisrunden Chitinkörper Platz gemacht, der giftgrün schillernd in der Stirn platziert war.
Viel, viel Zeit musste vergangen sein, seitdem er und Zirium hierher gebracht worden waren.
„Die Verschmelzung macht gute Fortschritte", fuhr der Kolonnen-Anatom fort. „Rein körperlich kommen wir recht bald zu einem Abschluss. Dann geht es um die Feinabstimmung, damit ihr den gemeinsamen Körper koordinieren könnt. Es wird viele Nachbesserungen und Operationen erfordern, um den Optimalzustand zu erreichen. Auch die psychische Rehabilitation wird noch lange Zeit in Anspruch nehmen. Und jetzt wollen wir mal sehen, wie wir heute vorankommen."
Fünf Anatomen versammelten sich um Gamauf. Emotionslos starrten sie ihn an.
Feinmechanische Maschinerie wurde zurechtgerückt, sein Kopf unsanft in Position gesetzt und fixiert. Spritzen, Skalpelle, Laser gerieten in sein Gesichtsfeld.
„Ich glaube, wir kümmern uns heute um die Koordination der Augennerven", sagte Tomf. „Wir wollen doch nicht, dass sich eurer beider Blicke überlagern, nicht wahr?"
Mechanische Klammern fixierten seine Augenlider. Eine Spritze näherte sich und bohrte sich unbarmherzig in den rechten Augapfel. Erstmals seit langem besaß Gamauf die Stimme, um zu schreien, und er nutzte die Gelegenheit redlich.
Genauso wie Zirium, dessen Wimmern ihm die Situation auf eine perverse Art und Weise erleichterte.
*
Wiederum verging Zeit, und irgendwann endeten die Operationen. Eine Vielzahl epileptischer Anfälle hätte ihm beinahe die Erleichterung des Todes gebracht. Während mancher Sitzungseinheiten schien es ihm, als wollte Tomf enttäuscht aufgeben und die lebenserhaltenden Maschinerien abdrehen. Doch der Kolonnen-Anatom war ein Besessener seiner Zunft. Immer wieder raffte er sich auf, tüftelte und schnipselte an ihm herum.
„Wir werden ihn töten, sobald wir die Gelegenheit dazu haben", sagte Zirium, von dem er sich manchmal in farbenprächtige Fantasien ziehen ließ. „Er wird mindestens so lange leiden wie wir. Es wird ein Tod sein, wie er in der Geschichte der Terminalen Kolonne niemals zuvor geschehen ist."
Ja!, dachte Gamauf. So soll es sein.
Er spürte etwas in sich. Einen überraschten Aufschrei, freilich auf mentaler Ebene!
Ich spüre dich!, vermittelte ihm Zirium.
Gamauf orientierte sich, schloss die Augen. Da gab es einen Ort, irgendwo zwischen Riechen und Hören, links oder rechts von Reden, vor dem ein Häutchen gespannt war. Durch diese Membran drangen die Denkimpulse des Mor’Daer.
Wenn er seinen Geist darauf konzentrieren könnte, das Hautläppchen zu durchdringen, dann würde er dem anderen ebenfalls ... Botschaften schicken können.
Er dachte nach und fokussierte auf dieses unräumliche Ziel. Ließ Denken und jeglichen Zeitbegriff hinter sich.
Machte mit einem Körper, den er längst nicht mehr allein besaß, einen Spaziergang durch die Dunkelheit seiner Geisteswelt. Gamauf erreichte den Hautlappen. Zerfetzte ihn mit beiden Händen, von denen er eigentlich nur noch eine besaß.
Und sah in die Gedanken Ziriums.
„Hat es endlich geklappt?", unterbrach Tomfs verhasste Stimme seinen Akt der Konzentration. „Die Messgeräte zeigen, dass euer gemeinsames Psi-Potenzial endlich beginnt, sich zu kalibrieren. Sehr gut, sehr gut ..."
Nicht einmal in ihren Gedanken waren sie frei.
*
Das Schrillen und Kreischen der Lamellenkörper der Anatomen gehörte weiterhin zum täglichen Allerlei. Nachdem sie allmählich begannen, ihren Körper wieder zu entdecken, zog sich Tomf weitgehend aus der Koordinationsarbeit der Verschmelzung zurück. Andere Mediziner drängten in den Vordergrund. Zirium und er wurden mental hochgepäppelt, ihre gemeinsame Identität gestärkt. Tabletten, Spritzen und Infusionen gehörten weiterhin zum täglichen Allerlei.
Auch Operationen standen immer wieder an. Der Wundschmerz ließ scheinbar nie nach, und dennoch fühlten sie sich beide wie in Watte gepackt. Widerstand gegen die Anweisungen ihrer Ärzte kam nicht in Frage,
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