2306 - Die Kristallbörse
nein, etwas anderes war nicht so, wie es hätte sein sollen.
„Und was willst du tun?", hörte Gill sich fragen. „Ihnen nachgeben? Den Gelb-Sektor stürmen lassen?"
„Nein", sagte der Kämmerer vollkommen ruhig. „Nichts."
*
Einige Minuten vorher ...
Sie hatte ihn wieder zu einem falschen Schluss verleitet, wenn auch nur relativ kurz. Sie war nicht mit ihren Leibwächtern zusammen geflohen. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr.
D. Manning Ostro stand mitten unter den Zuschauern und beobachtete sie genau. Sie war auf der Siegerstraße.
Sie hatte mit einem Königsweg begonnen und danach mit einem Göttertrunk und einem Kristallpokal zwei weitere, nicht zu toppende Blätter gehabt. Sie hatte noch einmal das ganz große Glück, aber auch Pech, weil sie nichts davon mitnehmen würde. Nicht dahin, wohin sie bald gehen würde.
Seine Hand steckte in der Tasche des Anzugsakkos, der Zeigefinger auf dem Kontakt, der den Sprengsatz unter ihrem sicherlich gepflegten Allerwertesten auslösen würde.
Irgendwie war es schade um sie. Das Schicksal konnte hart sein. Sie war eine alte, aufgetakelte Schachtel, eine Zicke, ein unnützer Parasit an der Gesellschaft – aber auch sie hing an dem, was für sie Leben war.
Wer tat das nicht?
In diesem Moment heulte der Alarm auf. D. Manning Ostro hatte ihn erwartet. Alles, was er hatte tun können, war arrangiert.
Es ist Zeit, dachte er und knipste sie aus seiner Matrix.
8.
1. März 1344 NGZ
Nerven
8:44 Uhr Standardzeit.
Solomon G. Gill und Inez Hatcher saßen mit Danton zusammen in dessen Büro. In ihrem Depot konnten sie jetzt nichts tun. Es wurde immer noch von Bewaffneten bewacht. Das Gros der Gardisten befand sich jedoch in Stellung in oder um Sektor Gelb. Der Kämmerer ließ den beiden Agenten gegenüber keinen Zweifel daran, dass dies nur der Täuschung der Erpresser diente. Es war sein Ernst. Er würde nichts tun, weder nachgeben noch zum Sturm blasen – einfach nichts.
Gill verstand den Mann nicht. Waren es wirklich nur die besonderen Nerven eines Unsterblichen, oder welches Spiel trieb er? Und wenn er schon so abgebrüht war, wie hätte wohl ein Ronald Tekener reagiert, der „Galaktische Spieler"?
Immer noch zupfte ein Gedanke an ihm und entwand sich ihm jedes Mal, wenn er danach greifen wollte. Es war wie eine vage Gestalt vor seinen Augen, ein verschwommenes Gesicht, das zerschmolz, wenn er es fokussieren wollte.
Er fühlte, dass es wichtig war. Und dass es ihm nichts mehr nützen würde, wenn er nicht bald darauf käme.
Auf der Plattform waren während der letzten drei Tage einige seltsame Dinge geschehen. Nach dem Alarm hatten inzwischen fast alle Besucher LEprachtvoll verlassen, trotz aller Proteste und Drohungen. Die meisten von ihnen waren mit Schiffen bereits in Sicherheit gebracht worden. Aber anscheinend doch nicht alle.
In einem der Salons war eine Spielerin buchstäblich in die Luft gesprengt worden. Unter ihren Mitspielern und den Umstehenden hatte es vier weitere Tote und etliche Verletzte gegeben, die nur kurz in LEprachtvoll behandelt und inzwischen ebenfalls auf Raumschiffen weiter versorgt wurden. Von der Frau war nicht viel übrig geblieben – sie hatte keinen angenehmen Anblick mehr geboten. Kein noch so begnadeter Schönheitschirurg konnte da noch etwas retten.
Gardisten hatten im Rot-Sektor, gar nicht sehr weit vom Depot der Terraner entfernt, das Wrack eines Posbis gefunden. Zwar wies nichts auf eine gewaltsame Beschädigung des Roboters hin, doch wenn es bei den „Positronisch-Biologischen Robotern" von der Hundertsonnenwelt so einen Zustand wie „tot" gab, dann war der Posbi genau das. Alle Versuche, ihn wieder in Betrieb zu setzen, waren gescheitert.
Zudem hatte jemand seine Bioplasmakomponente entfernt. Dies war noch rätselhafter als der Tod der Frau.
Rätselhaft ...
Solomon G. Gill war ganz nahe dran.
Er spürte es wie ein Fieber. Es hatte mit den Erpressern zu tun. Irgendetwas mit ihnen. Etwas hatte in Gill „Klick!" gemacht, als Danton zum ersten Mal von ihnen sprach. Deflektoren ... offenbar sechs ... offenbar ...
Und da war es! Gill stand auf. Seine Hände gestikulierten. Hitze breitete sich in seinem Körper aus. Er holte tief Luft, sah, wie Inez, Danton und die beiden Offiziere, die bei ihnen waren, ihn anstarrten ...
„Was hast du?", fragte seine Partnerin.
„Die Unbekannten." Er wandte sich an Danton. „Du hast gesagt, es seien offenbar sechs."
„Das ist richtig."
„Wieso
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