2309 - Die Augen von Charon
Entfernung vier Komma drei Lichtjahre. Keine Positionsveränderung! Die Schiffe reagieren nicht auf unsere Anwesenheit."
Ich warf einen Blick auf die Datenholos. In der Tat wies das Hyperspektrum bei zwei schmalen, hochfrequenten Bereichen ein kaum auffälliges Rauschen auf. Trotzdem: In der von der Positronik erstellten Amplitudendarstellung ergab sich ein deutliches Signal mit einem charakteristischen Doppelpeak bei 4,387 mal zehn hoch zwölf Kalup - was Malcolm S. Daellian schon vor der Entwicklung des Sextanten als einen Hinweis auf ein aktiviertes Dunkelfeld interpretiert hatte.
Alysha Saronn sah mich fragend an.
Ich zögerte noch immer. Welche Sorte Raumschiff wir vor uns hatten, war hinter den Dunkelschirmen nicht zu orten; wir konnten vorerst nur sagen, dass sich dort Einheiten befanden. Allerdings schienen die Schiffe in der Tat nicht die geringste Notiz von uns zu nehmen. Obwohl sie die VERACRUZ und die beiden anderen Einheiten unseres Konvois mit Sicherheit bemerkt haben mussten, schenkte keines der beiden Schiffe den drei LFT-Einheiten auch nur die geringste Beachtung. Sie hielten ihre Positionen und fuhren mit dem fort, mit dem sie beschäftigt waren. „Kurs und Geschwindigkeit halten!", ordnete ich an. „Sobald die Feindschiffe ungewöhnliche Aktivitäten zeigen, gehen wir auf Überlicht!"
„Weitere Ortungen treffen ein!", meldete Gaiomo. „Da drüben geschieht etwas, auch wenn ich nicht sagen kann, was."
„Bleib am Ball!" Ich sah von den Ortungsholos zu Marc London. Der junge Mann war merklich blasser geworden. Die theoretische Möglichkeit eines Feindkontakts war eine Sache, eine direkte Sichtung aber eine ganz andere. „In den Dunkelschirmen werden entsprechend wirksame Hyperbarie-Konzentrationen erzeugt", fuhr der Leiter der Abteilung Funk und Ortung schließlich fort. „Die gemessenen Werte wachsen langsam, aber stetig."
„Im Klartext", knurrte ich gereizt, „die Einheiten bauen künstliche Gravitationsfelder auf."
„Und zwar extreme, wie terranische Einheiten sie in dieser Form niemals erzeugen könnten."
„Mir ist durchaus bekannt, dass TRAI-TOR ganz andere technische Möglichkeiten hat als die LFT." Mir war klar, wieso ich so verdrossen auf die Meldung reagierte. Mich interessierte brennend, was dort vor sich ging, und ich wäre am liebsten hingeflogen und hätte nachgesehen. Aber das war nicht möglich; nicht mehr im Zeitalter nach dem HI-Schock. „Befehle?", fragte Kommandantin Saronn.
Ich schüttelte den Kopf. „Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu warten", sagte ich.
Abzuwarten und genau zu beobachten, was die Schiffe unter den Dunkelschirmen anstellten.
Wir warteten.
Und warteten. Über eine Stunde lang bauten die Einheiten unter den Dunkelschirmen weiterhin künstliche Gravitationsfelder auf. War der Vorgang zuvor schon gewaltig gewesen, einfach undenkbar für die Technologie jedweder Milchstraßenvölker, schien er sich nun ins Unermessliche zu steigern. Es hatte den Anschein, als versuche die Gegenseite das Gravitationsfeld eines großen Planeten oder gar einer Sonne nachzuahmen.
Was genau sich dort abspielte, konnten wir beim besten Willen nicht eruieren. Die Bordpositronik verarbeitete sämtliche Daten und versuchte, Simulationen zu erstellen, scheiterte aber kläglich. Wir wussten, was sie dort machten, hatten aber nicht die geringste Ahnung, wie sie es anstellten, geschweige denn wozu.
Immerhin fanden wir heraus, dass bei dem Vorgang noch ein paar Komponenten eine Rolle spielten, die wir selbst mit dem Ultra-Messwerk nicht deuten konnten.
Eine tolle Erkenntnis. „Wenn sie nicht bald damit aufhören, machen sie Dengejaa Uveso noch Konkurrenz", witzelte Alondro Ulan just in dem Augenblick, als es dann geschah.
Die Dunkelfelder erloschen. Mit einem Mal bildete die Ortung in der VERACRUZnun die Form der beiden Schiffe unter ihnen ab.
Ich kniff überrascht die Augen zusammen, wollte zuerst nicht glauben, was ich da mitbekam: Obwohl die beiden TRAI-TOR-Einheiten zweifelsfrei von unserer Anwesenheit wussten, gaben sie ihre Tarnung auf, als hätten sie nicht das Geringste von uns zu befürchten.
Das kündete beredt von der technischen Überlegenheit des Feindes. Ich verspürte ohnmächtigen Zorn: Einfach so ignoriert zu werden war mir in meinem nicht ganz so kurzen Leben nicht oft passiert.
Ich kniff die Augen zusammen und beobachtete die verschwommene Darstellung der Orterholos. Sie zeigten zwei ungefähr 1400 Meter lange Doppelraketenkonstruktionen mit
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