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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Swan wusste genau, wie das U-Tal sich von nacktem Fels in ein Steinwüsten-Biom verwandeln würde. Sie selbst hatte solche Entwicklungen in vielen alpinen und polaren Terrarien angestoßen. Ohne Hilfe würde es etwa tausend Jahre dauern, aber mit ein bisschen Gartenpflege ließ sich dieser Zeitraum auf ein Hundertstel verkürzen: Man musste einfach erst Bakterien und anschließend Moose und Flechten, Gräser und Seggen hinzugeben, und anschließend Geröllblumen und bodennahe Sträucher. Das hatte sie bereits gemacht, und es hatte ihr wunderbar gefallen. Ab jetzt würde es hier jeden Sommer grünen und blühen, Samen würden ausgestreut, und jeden Winter würde sich all das behaglich unter eine Schneedecke kuscheln, um sich anschließend der eigentlichen Gefahr zu stellen, dem Frühlingstau. Diejenigen, die diese harte Zeit nicht überstanden, würden die nach ihnen kommenden mit Nahrung und einem Nährboden versorgen, und so würde es weitergehen. Die Inuit konnten diese Landschaft pflegen, wenn sie wollten, oder sie konnten sie einfach sich selbst überlassen. Vielleicht konnten sie in verschiedenen Fjords verschiedene Möglichkeiten ausprobieren. Wie gerne Swan dabei mitgemacht hätte. »Na schön, vielleicht muss ich eine Inuit werden«, brummte sie Zasha zu, während sie auf die Landkarte vor ihnen schaute. Sie erkannte, dass Grönland selbst eine eigene Welt war, und zwar die von ihr bevorzugte Art – eine leere Welt. Es gab hier niemand, der ihr feindselig gesinnt war.
    Nach dem Abendessen ging Swan wieder hinaus und stand mit Zasha oberhalb der großen Lücke, unter der riesigen Himmelskuppel. Draußen im Wind, ach der Wind, der Wind … der breite Gletscher unter ihnen – stromaufwärts ein weißes Scherbenfeld, stromabwärts eine blaue Leere – und dann eine tiefer liegende und glattere weiße Fläche, die Richtung Meer abfiel. Auf der tieferen Dammseite konnte sie Maschinen ausmachen, die sowohl auf der Mauer als auch an ihren Seiten hin- und herflitzten. Sie sahen ein bisschen wie Spinnen aus, die ein so dichtes Netz webten, dass es massiv war. Die Bergkämme, an denen die beiden Enden des Damms verankert waren, würden eher abgetragen werden als der Damm selbst, hatte einer der Ingenieure erklärt. Falls es jemals eine neue Eiszeit gab und die Eiskappe Grönlands sich weiter gen Himmel auftürmte und über den Damm hinwegschwappte, würde er trotzdem noch da sein und in der nächsten Warmzeit wieder zum Vorschein kommen.
    »Erstaunlich«, sagte Swan. »Also kann man die Erde sehr wohl terraformen!«
    »Tja, aber Grönland ähnelt auch eher dem Mond Europa als dem Kontinent Europa, wenn du verstehst, was ich meine. Hier geht so etwas, weil nur einige wenige Menschen vor Ort leben, und denen gefällt die Idee. Wenn man etwas Derartiges irgendwo anders versuchen würde …« Zasha lachte bei dem Gedanken daran. »Als könnte man diese Technik einsetzen, um den New Yorker Hafen mit Deichen einzuhegen und die Bucht leerzupumpen, sodass Manhattan wieder wie früher über Wasser liegt. Man könnte den ganzen Bereich zu einer Art Koog machen. Das wäre nicht einmal so schwer, verglichen mit einigen anderen Ideen. Aber die New Yorker wollen nichts davon wissen. Ihnen gefällt es so, wie es ist.«
    »Schön für sie.«
    »Ich weiß, ich weiß. Die segensreiche Flut. Und ich liebe New York so, wie es ist. Aber du verstehst doch, was ich meine. Es gibt eine Menge guter Terraformingprojekte, die man niemals genehmigen wird.«
    Swan nickte und verzog das Gesicht. »Ich weiß.«
    Zasha umarmte sie kurz. »Es tut mir leid, was dir in China passiert ist. Es muss schrecklich gewesen sein.«
    »Es war grauenhaft. Das, was ich auf dieser Reise sehe, gefällt mir ganz und gar nicht. Anscheinend haben wir die meisten Erdenbewohner auf die eine oder andere Art gegen uns aufgebracht.«
    Zasha lachte. »Hast du je etwas anderes geglaubt?«
    »Na schön«, erwiderte Swan, »ist schon klar. Aber die Sache ist die: Jetzt müssen wir in Erfahrung bringen, wer Terminator attackiert hat.«
    »Interplan hat das, was einer Datenbank über alle Menschen am nächsten kommt, von daher werden sie die Täter hoffentlich finden können.«
    »Und wenn das nicht funktioniert, was dann?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube, es wird früher oder später funktionieren.«
    Swan seufzte. Sie war sich nicht sicher, ob Genettes Team es schaffen würde, und sie wusste, dass sie selbst es nicht schaffen konnte. Zasha warf ihr einen Blick zu. »Das

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