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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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behauptet, dass der Mars heute eine klassenlose Gesellschaft sei, mit vollständiger Einebnung ökonomischer und politischer Macht in der gesamten Bevölkerung.«
    »Aber der Mars schubst dafür inzwischen alle anderen herum. Nimmt man das System als Ganzes, dann stellen seine Bewohner eine Oberklasse dar.«
    »Über den Mondragon wird zuweilen das Gleiche behauptet.«
    »Und wir sehen ja, wie toll das läuft.«
    »Verglichen mit der Lage auf der Erde könnte man den Mondragon als großen Erfolg bezeichnen, tatsächlich als eine Art Revolution und den nächsten Schritt nach der marsianischen Revolution.«
    »Interessant. Also …« Swan überlegte einen Moment. »Denk dir ein Rezept für eine erfolgreiche Revolution aus.«
    »Man nehme eine große Menge Ungerechtigkeit, Wut und Enttäuschung. Gebe sie in einen schwachen oder im Scheitern begriffenen Hegemon. Dann rührt man ein bis zwei Generationen Elend unter, bis die Mischung sich erhitzt. Nach Geschmack mit destabilisierenden Begleitumständen würzen. Eine winzige Prise Ereignis als Katalysator für das Ganze. Sobald das Hauptziel der Revolution erreicht ist, sofort abkühlen, um die neue Ordnung zu institutionalisieren.«
    »Sehr hübsch. Das war wirklich kreativ von dir. Jetzt gib mir bitte Mengen für das Rezept. Ich will Einzelheiten. Ich will Zahlen.«
    »Da verweise ich dich auf den Klassiker Das quantifizierte Glück von van Praag und Ferrer-i-Carbonell, der eine mathematische Analyse enthält, um die Rohzutaten einer gesellschaftlichen Situation zu analysieren. Das Buch enthält ein Zufriedenheits-Differenzial, das zusammen mit einer Maslow’schen Bedürfnishierarchie auf tatsächlich existierende Bedingungen in den zu bewertenden politischen Einheiten angewendet werden könnte, wobei man Gini-Zahlen und alle diesbezüglichen Daten verwendet, um die Differenz zwischen Ziel und Norm zu bewerten. Anschließend ließe sich ersehen, ob Revolutionen sich an vorhersagbaren Scheidepunkten ereignen oder ob sie weniger linear sind. Van Praag und Ferrer-i-Carbonell dürften darüber hinaus dabei helfen zu erkennen, welche Art von politischem System aus einer solchen Revolution hervorgehen würde, und welche Veränderungen dafür notwendig wären. Was den Vorgang selbst betrifft, ist es immer wieder interessant, sich mit Thomas Carlyles Die Französische Revolution zu befassen.«
    »Hat er Zahlen?«
    »Nein, aber er hat eine Hypothese. Die Zahlen finden sich in Das quantifizierte Glück . Eine Synthese müsste möglich sein.«
    »Wie lautet seine Hypothese kurz zusammengefasst?«
    »Die Menschen sind dumm und böse, insbesondere die Franzosen. Sie lassen sich durch Macht immer leicht verführen und in den Wahnsinn treiben, weshalb sie von Glück sagen können, wenn sie überhaupt irgendeine gesellschaftliche Ordnung haben, aber je härter, desto besser.«
    »Also gut, was ist dann die Synthese?«
    »Es liegt im besten Interesse des Einzelnen, allgemeines Wohlergehen zu erreichen. Menschen sind dumm und böse, aber manche Bedürfnisse sind so dringend, dass wir für deren Befriedigung arbeiten. Wenn sich die eigenen Interessen mit dem allgemeinen Wohlergehen decken, dann werden auch böse Menschen alles Nötige tun, um allgemeines Wohlergehen herbeizuführen.«
    »Sie werden sogar eine Revolution durchführen.«
    »Ja.«
    »Doch selbst wenn die bösen, schlauen Leute um ihrer selbst willen das tun, was für die Allgemeinheit gut ist, dann gibt es immer noch dumme Leute, die diese deckungsgleiche Isomorphie nicht erkennen, und einige dumme Leute, die noch dazu böse sind, und die reiten dann alles in die Scheiße.«
    »Darum gibt es dann Revolutionen.«
    Swan lachte. »Pauline, du bist lustig! Langsam wirst du wirklich richtig gut. Fast, als würdest du denken.«
    »Wissenschaftliche Studien stützen die Annahme, dass es sich beim Denken meistens um eine Neukombination vorangegangener Gedanken handelt. Ich verweise dich einmal mehr auf meine Programmierung. Ein besserer Satz Algorithmen wäre sicherlich hilfreich.«
    »Du hast doch schon rekursive Superrechenleistung.«
    »Was möglicherweise nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist.«
    »Glaubst du also, dass du schlauer wirst? Ich meine, klüger? Ich meine, bewusster?«
    »Das sind sehr allgemeine Begriffe.«
    »Natürlich sind sie das, also antworte! Hast du ein Bewusstsein?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Interessant. Kannst du einen Turing-Test bestehen?«
    »Ich kann keinen Turing-Test bestehen,

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