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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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sagte sie, »dann hoffe ich, dass du recht hast.«
    Er blickte sie an. »Klar tust du das.« Er schüttelte unglücklich den Kopf. »Es steht nun auf Messer Schneide, meine Liebe. Du solltest jetzt lieber nicht straucheln.«
    »Wie immer, was?«
    »Ich meine nicht die Gefahr zu sterben. Ich rede von einer neuen Grenze des Lebens. Ich frage mich, ob wir nicht kurz vor einem Durchbruch bei den Langlebigkeitsbehandlungen stehen. Einer Art von gestalthaftem Sprung nach vorne. Der ziemlich bald kommen wird. Es gibt so viel, was wir gerade erst beginnen zu verstehen. Denk nur, vielleicht wirst du tausend Jahre leben.«
    Er schaute sie an, ließ die Worte einsickern und beobachtete Swan dabei, um sich zu vergewissern, dass sie ihre Wirkung entfalteten. Das entging ihr nicht. Mqaret fuhr fort.
    »Ich werde das nicht mehr erleben. Ich denke, dass wir nach wie vor etwa fünfzig Jahre von der Lösung bestimmter letzter Probleme entfernt sind. Aber du … du solltest lieber vorsichtig sein.«
    Er schloss sie sanft, fast ein wenig furchtsam in die Arme, als wäre sie zerbrechlich oder giftig. Aber seine Miene war nach wie vor voll Zuneigung. Ihr Großvater liebte sie und machte sich Sorgen um sie. Und er hatte festgestellt, dass sie mit ihrem überstürzten Handeln vielleicht etwas Brauchbares in Erfahrung gebracht hatte. Es war ein bisschen wie das Rosenwunder der heiligen Elisabeth: auf frischer Tat ertappt, aber durch eine Verwandlung gerettet. Der Gedanke verwirrte Swan.

AUSZÜGE (12)
    Isomorphien tauchen in unserem gesamten Begriffssystem auf. Man sieht Muster wie dieses …
    subjektiv, intersubjektiv, objektiv;
    existenziell, politisch, physikalisch;
    Literatur, Geschichte, Wissenschaft;
    … und fragt sich, ob es verschiedene Arten gibt, das Gleiche auszudrücken?
    Sind die Dichotomien »apollinisch/dionysisch« und »klassisch/romantisch« zwei verschiedene Arten, über dieselbe Sache zu sprechen?
    Kann es falsche Isomorphien geben, wie bei den »sieben Todsünden« des Alterns, die absichtlich das Denksystem der christlichen Religion aufrufen, obwohl es überhaupt nichts mit dem Altern zu tun hat?
    Ist isomorph dasselbe wie übereinstimmend? Das »Standardmodell« der Physik hegt die Hoffnung und die Erwartung, Grundlage aller Disziplinen zu sein, die alle mit ihren grundlegenden Befunden übereinstimmen. Insofern durchdringen sich Physik, Chemie, Biologie, Anthropologie, Soziologie, Geschichte und die Künste alle gegenseitig und bilden eine Einheit, wenn man sie als eine einzige Lehre betrachtet, in der alle Fäden zusammenlaufen. Die Physik bildet das Grundgerüst für die Lebenswissenschaften, die wiederum das Gerüst für die Humanwissenschaften bilden, die das Gerüst für die Geisteswissenschaften bilden, die das Gerüst für die Künste bilden; und da wären wir dann. Was ist also die Gesamtheit? Wie nennen wir sie? Kann es absolute Wissenschaft geben? Behaupten nicht Geschichte, Philosophie, Kosmologie, Naturwissenschaften und Literatur jeweils von sich, die Gesamtheit darzustellen, einen nicht mehr weiter hinauszuschiebenden Horizont, der die Grenze unseres Denkens markiert? Könnte eine starke Disziplin als eine definiert werden, die eine Vision der Gesamtheit hat und von sich behauptet, alle anderen zu umfassen? Und irren sich all diese Disziplinen, indem sie genau das tun?
    Ist die Gesamtheit schlicht und einfach die Praxis, also das, was wir mit uns selbst und mit der Welt anfangen? Gibt es so etwas wie eine allumfassende Lehre vielleicht überhaupt nicht, sondern nur einen Zusammenfluss? Den Zusammenfluss all unserer Felder des Denkens im menschlichen Handeln?
    Zum Zeitpunkt unserer Studie bildeten all diese Fragen ein großes Durcheinander, und die verschiedenen Disziplinen hatten unterschiedliche Haltungen zu ihnen. In einigen Feldern beschränkte man sich streng auf menschliche Probleme. Man wählte diese verengte Perspektive mit Absicht, um eine Aussage über Bedeutung zu treffen. Es sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass das menschliche Leben so lange Gegenstand menschlicher Forschung sein sollte, bis wir den Punkt erreichen, an dem es uns allen gut genug geht, damit wir es uns leisten können, über anderes nachzudenken.
    Einige Vertreter der Physik und anderer Disziplinen erwiderten darauf, dass viele Bereiche der Naturwissenschaften entscheidende Auswirkungen auf das menschliche Streben nach Gerechtigkeit hätten, weshalb der stärkste Humanismus aus einer Perspektive erwachsen müsse, die

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