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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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kann. Solange wir das nicht erreicht haben, wird die eine oder andere Gruppe zu dem Schluss gelangen, dass die Raumer einem nur dann zuhören, wenn man ein paar von ihnen umbringt. Und das Traurige ist, dass sie damit vielleicht sogar recht haben.«
    »Weil du jetzt zuhörst?«
    Sie starrte ihn finster an. »Weil das dort unten schon zu lange so geht!«
    Wahram legte den Kopf von einer Seite auf die andere und überlegte, wie er seine Gedanken am besten zum Ausdruck bringen sollte. Er ging mit ihr ein Stück weiter durch den Korridor, bis sie einen langen Tisch voller kleiner Kekse und großer Kaffeespender erreichten, und schenkte ihnen Kaffee ein. »Also … du meinst, um uns zu schützen, müssen wir eine Weltrevolution auf der Erde organisieren.«
    »Ja.«
    »Und wie? Immerhin versuchen die Leute das schon seit Jahrhunderten.«
    »Das ist noch lange kein Grund, es aufzugeben! Ich meine, wir sind hier draußen auf der Venus, auf dem Titan, und tun alles Mögliche . Es gibt Sachen, die da unten funktionieren könnten. Man kann Informationen verbreiten, jeder ist im Prinzip erreichbar. Ihnen Anteile am Mondragon geben. Unterkünfte bauen oder das Land entwickeln. Eine von diesen gewaltfreien Revolutionen daraus machen. Wenn etwas schnell genug passiert, nennt man es eine Revolution, ob nun mit Kanonen geschossen wird oder nicht.«
    »Aber es gibt nun mal die Kanonen.«
    »Mag sein, aber was, wenn niemand es wagt, sie abzufeuern? Was, wenn unsere Handlungen immer ausreichend unverdächtig sind? Oder sogar unbemerkt bleiben?«
    »Solche Handlungen bleiben nie unbemerkt. Nein – es würde Widerstand geben. Mach dir nichts vor.«
    »Na schön, dann machen wir eben auch gegen Widerstände weiter und sehen, was passiert. Wir verfügen über reichhaltige Ressourcen, und wir bauen einen Großteil ihrer Nahrung an. Wir haben einen Hebel .«
    Er dachte darüber nach. »Vielleicht haben wir den, aber dort unten spielen sie nach ihren eigenen Regeln.«
    Sie schüttelte heftig den Kopf. »Es gibt eine Kultur des Schenkens, die vor allen Regeln existierte, und die Menschen haben noch immer ein Gespür dafür. Wenn man eine solche Schenkökonomie einrichtet, dann machen die Leute von alleine mit. Und wir müssen etwas unternehmen. Wenn nicht, dann schießen sie uns ab. Sie werden uns töten und auffressen.«
    Wahram nippte an seinem Kaffee und versuchte, sie zur Ruhe zu bringen. Wie immer übertrieb sie es. Er hätte gerne gehört, was Pauline von alldem hielt, aber jetzt in diesem Moment würde Swan ihn ganz sicher nicht mit ihr reden lassen. Swan hatte sich den Becher geschnappt, den er ihr eingeschenkt hatte, und stürzte ihn runter. Dann hielt sie ihm einen weiteren kleinen Vortrag, wobei sie ihre Argumente gestisch derart untermalte, dass er von Glück sagen konnte, dass sie ihn nicht mit ihrem Kaffee begoss.
    Doch obwohl sie es wie immer übertrieb, brachte sie eine Menge Gedanken zum Ausdruck, die Wahram bereits selbst gekommen waren. Genau genommen wiederholte sie nur einen Standpunkt, den Alex bereits seit Jahren vertreten hatte. Als sie schließlich Luft holen musste, ergriff er also die Gelegenheit und sagte: »Das Problem ist, dass seit Jahrhunderten klar ist, was getan werden muss, dass es aber niemand tut, weil es für die Umsetzung sehr viele Menschen braucht. Bauarbeiten, ökologische Wiederherstellung, vernünftige Landwirtschaft, für all das braucht man ungeheuer viele Menschen.«
    »Aber es gibt ungeheuer viele Menschen! Wenn man die Arbeitslosen mobilisieren würde, hätte man mehr als genug. Die Revolution der Vollbeschäftigung. Der Planet ist im Eimer, sie braten in der Sonne, ihnen bleibt gar nichts anders übrig. Letztlich muss die Erde ebenso sehr terraformt werden wie Venus oder Titan! Genau genommen sogar umfassender, und wir machen das nicht.«
    Wahram dachte darüber nach. »Meinst du, man könnte die Sache so verkaufen? Als eine Restauration? Um gleichzeitig an die Konservativen und an die Revolutionäre zu appellieren – oder um zumindest zu verschleiern, was wirklich geschieht?«
    »Ich glaube nicht, dass wir irgendwas verschleiern müssen.«
    »Wenn du deine Absichten offenlegst, Swan, wirst du ganz schnell Feinde haben. Sei nicht naiv. Jede Veränderung hat ihre Gegner. Ernsthafte Gegner. Ich rede von Gewalt.«
    »Wenn sie eine Möglichkeit finden, welche anzuwenden. Aber wenn es niemanden gibt, den sie festnehmen können, wenn sie gegen niemanden zurückschlagen können, niemandem Angst

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