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Augen wie der einer anderen, ein Ding, das sie wie einen Waldo bediente. Er war widerstandsfähig. Er hielt sie nach wie vor fest. Er hatte Hunger. Sie drückte auf die Klingel, um eine Schwester um etwas zu essen zu bitten.
»Pauline, bitte übertrage meine Krankengeschichte auf den Tischcomputer dort.«
»Möchtest du die Langfassung oder die Zusammenfassung?«
»Die Zusammenfassung«, sagte Swan, die wusste, dass die Langfassung einen Umfang von mehreren Hundert Seiten hatte.
Sie schaute auf die leuchtenden Buchstaben in der Tischplatte, konnte sich jedoch nicht dazu durchringen, sie zu lesen. Einzelne Passagen sprangen ihr ins Auge: Geboren 2177 , eine schwere Geburt, so hatte man ihr erzählt, bei der sie zeitweise unter Sauerstoffmangel gelitten hatte. Anfälle im Alter von 2. Pilz- und Bakterieninfektionen in der Farmschule. Feuchtland-Syndrom. Im Alter von 4–10 ADHS.
Gegen Letzteres war man mit einer medikamentösen Behandlung vorgegangen, die später in Verruf geraten war. Ihre restliche Schulzeit hatte sie auf der Farm verbracht, wo es ihr sehr viel besser ergangen war. Doch der leuchtende Text in der Tischplatte ging noch weiter. Dyskalkulie. Präfrontale Kortex-Elektrostimulation. Im ersten Sabbatjahr Impfung für Xinjiang, China, im Alter von 15, ganze Bandbreite einschließlich Darmwürmer …
… in diesem Fall Trichuris suis , ein Schweine-Peitschenwurm, den man im Rahmen einer Therapie einnahm, die mal mehr und mal weniger beliebt war.
Oppositionelles Trotzverhalten, im Alter von 15–24.
Das stand mit Angststörungen in Verbindung. Beide hatten mit dem Hippocampus zu tun, aber bei Angst mied man das Objekt, während man bei Trotzverhalten zum Angriff überging.
Ein-g-Syndrom, zweites Sabbatjahr in Montpellier, Frankreich, im Alter von 25. Venusianische Grippe. Genitalanpassung im Alter von 25. Hormonpumpe implantiert im Alter von 35, Hormontherapien bis zum jetzigen Zeitpunkt. Im Alter von 37–86 Oxytocin-Abhängigkeit. Lerchen- und Grasmücken-Gesangscluster-Implantat im Alter von 26. Katzenschnurrstimmbänder im Alter von 27. 2222 Implantierung eines subduralen Quantencomputers im Alter von 45. Kognitive Therapie im Alter von 9–99.
Im Alter von 28 Vaterschaft, Kind weiblich. Tochter 2296 verstorben. Im Alter von 63 Mutterschaft, Kind weiblich. Natürlich geboren.
Mqaret hatte ebenfalls etwas in ihre Akte eingetragen: Einnahme der enceladanischen Lebensform – leichtsinniges Mädchen im Alter von 79.
Langlebigkeitsbehandlungen im Alter von 40 bis zum jetzigen Zeitpunkt.
Oberflächliches Verhalten, nie behandelt – das hatten offenbar entweder Mqaret oder Pauline eingesetzt, um sich über sie lustig zu machen.
»Wie wär’s mit hat hundert Terrarien entworfen? «, beschwerte sich Swan. »Wie wär’s mit hat drei Jahre in der Oort’schen Wolke damit verbracht, elektromagnetische Katapulte an Eiskugeln zu befestigen? Oder fünf Jahre auf der Venus? «
»Diese Ereignisse gehören nicht zu deiner Krankengeschichte«, sagte Pauline.
»Oh doch, das kannst du mir glauben.«
»Wenn du deinen Lebenslauf willst, sag es einfach.«
»Sei still. Geh weg. Du bist zu gut darin, eine nervige Person zu simulieren.«
»Sagtest du ›simulieren‹ oder ›stimulieren‹?«
AUSZÜGE (7)
Die verlängerte Lebensspanne im Zusammenhang mit bisexuellen Therapien hat zu höchst fortgeschrittenen operativen und hormonellen Behandlungen geführt, als Intervention sowohl im Mutterleib als auch in der Pubertät und im Erwachsenenalter. Die XX/XY-Dichotomie existiert zwar noch, aber eher im Zusammenhang einer breiten Varietät von Gewohnheiten, Gebräuchen und Terminologien
Ein Gefühl für die Geschlechtsidentität wird im zweiten Monat im Hippocampus und Hypothalamus herausgebildet; die einmal angelegte Orientierung bleibt bestehen. Wenn man beabsichtigt, ein Gefühl der Undifferenziertheit oder Ambivalenz zu erzeugen, müssen die Eingriffe bereits im Mutterleib beginnen
In den ersten acht Wochen der Embryonalentwicklung hält man in der noch bipotenzialen Gonade sowohl den Müller-Gang als auch den primären Harnleiter aktiv. Anti-Müller-Hormone, die von Genen auf dem Y-Chromosom aktiviert werden, dürfen sich nur an einen der embryonalen Müller-Gänge anlagern. Der Effekt ist normalerweise ipsilateral, sodass jeder Hoden nur auf seiner Seite die Entwicklung des Müller-Gangs unterdrückt, was zur Folge hat
bei XY-Embryos muss dann bis zur vierten Woche ein mittleres Maß an
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