2320 - Terra im Psi-Schauer
Vier Stunden dauerte die Bewässerung, und keiner glaubte den Versicherungen NATHANS, er habe mit den Überschwemmungen rein gar nichts zu tun.
Als die Wolken sich verzogen, sahen die Kanadier einen Feuerball am abendlichen Dämmerhimmel, der aus lauter blitzenden Funken zu bestehen schien, eine Weile über der Tundra hin und her wanderte, dann stillstand bis zum endgültigen Einbruch der Nacht, um schließlich mit hoher Geschwindigkeit nach Süden zu rasen,, hinter den Horizont und weiter. Die Satelliten verloren ihn irgendwo über dem Pazifik, aber das war Danilor Baron Whistler egal. Völlig unvorbereitet hatte ihn ein schrecklicher Schnupfen getroffen, der ihn für mindestens eine Woche ans Bett fesselte.
Er verpasste dadurch wesentliche Ereignisse der Weltgeschichte, aber was hieß das schon. Ereignisse zählten für ihn nur, wenn er persönlich anwesend war.
5.
„Ich kann es nicht verantworten", sagte Marc London. „Warum sträubst du dich so sehr gegen meine Bedenken?"
„Der Nukleus befindet sich auf einer höheren Evolutionsstufe. Du kannst ihm nicht gefährlich werden. Du wirst ihn nicht einmal wahrnehmen, wenn er es nicht will.
Zwischen ihm und dir wird es keine Psi-Korrespondenz geben."
Marc hätte es zu gern geglaubt, aber da blieben Zweifel, die sich in seinem Bewusstsein festfraßen und ihn ablenkten.
Fast beiläufig nahm er wahr, dass Fawn wieder im Schneidersitz am Strand saß, reglos, denn anders war die hohe Luftfeuchtigkeit auf Dauer nicht zu ertragen. „Wenn die Menschen auf der Erde ganz sicher sein sollen, brauchen sie Gewissheit", bohrte er weiter. „Fragmente des Nukleus haben bereits damit begonnen, sie den Menschen zu geben. In Kanada zum Beispiel."
Marc geriet ins Stottern. „Da... das wusste ... ich nicht. Entschuldige bitte."
„Keine Ursache. Zweifel sind evolutionsbedingter Standard. Sie helfen aus der Lethargie und verhindern Degeneration."
So hatte Marc London es noch nie gesehen. Er schauderte vor dem Wissen und der Weisheit, die Fawn als Bestandteil des Nukleus besaß. Daneben kam er sich mit seiner Verliebtheit fast lächerlich vor.
Wenigstens war er nicht mehr blind vor Liebe wie in der Anfangszeit ihrer Beziehung. „Ich möchte jetzt anfangen", sagte Fawn Suzuke. Es war der erste Tag.
*
Sie sagte es auch am zweiten und am dritten. Inzwischen war der 14. Oktober angebrochen.
Fawn hielt die Augen geschlossen und nahm ihre Umgebung nicht mehr oder nur wenig wahr. Marc lauschte in sich hinein, suchte nach Anzeichen oder Hinweisen, wie sie von seinen Kraftreserven zehrte. Es gelang ihm nicht.
Einmal, um die Mittagszeit, seufzte Fawn, und kurz darauf verspürte er einen Augenblick lang ein unwahrscheinliches Glücksgefühl. Er nahm es als Zeichen, dass ein Fragment des Nukleus eingetroffen war.
Unauffällig musterte er die Flanke des Vulkankegels, ohne etwas zu entdecken.
Wenn ein mentales Potenzial eingetroffen war, verhielt es sich unauffällig. Sichtbar war es sowieso nicht.
Marc London aktivierte seinen Armbandkom und rollte das Display zu seiner vollen Größe aus. Er sah sich die Aufzeichnung aus Schohaakar an, die Verhandlungen Mondras mit den Schohaaken und ihrer Sprecherin Marreli Nissunom. Mondra besaß erstaunlich viel Einfühlungsvermögen, eine Eigenschaft, die er in den letzten drei Tagen im Gleiter kaum bemerkt hatte. Sie schilderte den Sachverhalt und leitete Fawn Suzukes Bitte weiter.
Der Umzug der gesamten Siedlung auf die Isla Bartolome war gerade kein alltägliches Ansinnen, und niemand hätte es den Schohaaken übel genommen, wenn sie es abgelehnt hätten. Sie berieten mehrere Stunden lang und sagten dann zu. Es war ihnen eine Ehre, auf diese Weise helfen zu können, da sie - nach eigenen Worten - für diese Aufgabe wie geschaffen waren.
Das war vor drei Tagen gewesen.
Inzwischen hatte die Siedlung - acht Zylinder-Wohnmodule auf einer Transportplattform - die Strecke von rund 15.000 Kilometern zurückgelegt und befand sich im Landeanflug auf die Isla.
Techniker und Roboter waren seit 40 Stunden vor Ort, errichteten Fundamente für die Plattform, verlegten Leitungen und installierten Anschlüsse. Ein Schiff der LFT brachte die 2535 Schohaaken.
Marc London spähte zum Himmel hinauf.
Erst sah man nur einen winzigen schwarzen Punkt, kurz darauf zwei. Dann sank erst die Plattform am Zugstrahl eines Kugelraumers und wenig später das Passagierschiff der kleinen Insel entgegen.
Ein paar Stunden würde es noch dauern, bis
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