2339 - Ein halber Mensch
und Sehnen hatten etwas länger Bestand, aber schon verschwanden auch die Kapillargefäße und schließlich die großen Venen und Arterien.
Als da nur noch das bleiche Skelett war, hatte die Auflösung schon auf meine ganze rechte Körperseite übergegriffen. „So ist es gut!", lobte der Hoch-Medokogh. „Du hast dich hinreichend beruhigt, Danton; diese Dosis wird dich während der Operation ebenfalls schützen.
Sobald alle vegetativen Lebensfunktionen annulliert sind, ist es wichtig für uns, dass wir schnell und unbehindert arbeiten können."
Seine Faszination schien auf mich überzuspringen, als ich sah, dass meine rechte Körperhälfte abgeschält wurde.
Mein Brustkorb und die Lunge lagen; im Schichtbild nun offen, ebenso der Magenausgang und die Leber, der Darm wurde sichtbar. „Es ist kein gerader Schnitt. mit dem zwei Körper zu einem Dual zusammengefügt werden", erklärte Enkaraqon. „Manche Organe sind bedenkenlos austauschbar, andere dürfen keinesfalls vereint werden.
Allein ihre Verlagerung innerhalb eines Körperfragments bedingt neues Stützgewebe und Haltestrukturen."
Ich sah meine Leber und die Gallenblase, beides vom umliegenden Gewebe freigestellt. Nur das ungeheuer vielfältige Geflecht der Adern und Nervenbahnen war noch vorhanden, ein faszinierend filigranes Netz.
Tief in mir meldete sich eine warnende Stimme, dass ich das alles keineswegs als normal empfinden durfte. Ich musste aufwachen aus diesem Bann, bevor aus der holografischen Darstellung blutige Realität wurde.
Die linke Hälfte der Mor'Dacr-Abbildung hatte sich ebenfalls weitestgehend aufgelöst. Ich bemerkte vorstehende Gewebeverdickungen, die auch dann erhalten blieben. als sich unsere Körperfragmente einander annäherten. „Es wird sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, allein die Nervenenden und sämtliche Blutgefäße funktionsfähig miteinander zu verbinden. Ich denke, wir können die Mägen in ihrer Ursprungsform belassen, und es ist ausreichend, den abführenden Verdauungstrakt zu verknüpfen ..."
Ausschnittvergrößerungen zeigten einen unüberschaubaren Wust bloßliegender Nervenenden und Blutgefäße. Es dauerte lange, bis ich erkannte, dass sie paarweise aus der Darstellung ausgeblendet wurden.
Zurück blieben einzelne Stränge und Adern, die sich einer Verknüpfung entzogen.
Enkaraqon stieß faszinierte Laute aus. Er schien begeistert zu sein, seine Anweisungen sprudelten förmlich hervor.
Deutlicher näherten sich beide Hologramme einander an - und dann kam der Zeitpunkt, an dem die ersten Knochen zusammenwuchsen. Das schwammartige Gerüst der Knochenbälkchen schien sich explosiv aufeinander zuzubewegen, es wuchs ineinander und gleich darauf bildete sich neue Knochenhaut, die selbst die letzte, vielleicht noch erkennbare Bruchstelle unsichtbar werden ließ.
Das Becken wirkte schrecklich unsymmetrisch, rechts massiger als mein verbliebener eigener Anteil, aber durchaus funktionsfähig. Vor allem stabil.
Muskelfasern wurden aufgebaut, das Fleisch wuchs mit atemberaubender Geschwindigkeit, darin eingebettet die verknüpften Gefäße und Nervenbahnen.
Ich spürte, dass neue Unruhe in mir aufbrach. Das Geschehen faszinierte mich und erfüllte mich zugleich mit grenzenlosem Abscheu. „Beide Körper passen gut zueinander", hörte ich den Hoch-Medokogh überschwänglich sagen. „Der Duale Kapitän hat eine sehr gute Wahl getroffen."
Er beugte sich über mich, und sein Totenschädel raubte mir die Sicht auf das endgültig zusammenwachsende Hologramm. „Roi Danton und Yrendir - das verspricht extrem viel. Das Ergebnis wird Dantyren sein, ein Dual, das aller Voraussicht nach starke paranormale Eigenschaften entwickeln wird. Natürlich müssen wir eine Kralle des Laboraten als Kontrollinstanz setzen."
Alles in mir bäumte sich auf. Ich wollte schreien, aber nicht ein Laut drang über meine Lippen. Ich wollte um mich schlagen, aber die Muskeln reagierten nicht: „Du wirst von neuem unruhig, Danton.
Aber das spielt keine Rolle mehr. Wir werden Yrendir und dich betäuben und die letzten chirurgischen Untersuchungen vornehmen. Alles nur Routine."
Die Knochenfratze lachte mich an.
Sie war das Letzte was ich bewusst wahrnahm, dann schwanden mir die Sinne.
*
In einem schwer zu beschreibenden Zustand dämmerte ich dahin, war mir weder meiner selbst noch der Zeit bewusst, die verstrich. Alles hätte in diesem Zustand mit mir geschehen können. Ich war unfähig für Empfindungen; weder Freude noch Leid, kein
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