2339 - Ein halber Mensch
dass sich mein Herzschlag ebenso beschleunigte wie die Atemfrequenz. Die Frage war nur, ob dieses System autark arbeitete oder mit einer Zentrale korrespondierte.
Was mir bevorstand, darüber gab ich mich keinen Illusionen hin. Zu deutlich hatten sich die beiden ineinander wachsenden Hologramme in meine Erinnerung eingebrannt. Wahrscheinlich warteten die Anatomen nur darauf, dass der Mor'Daer-Kalbaron ebenfalls die Besinnung wiedererlangte. Und egal, was die letzten chirurgischen Untersuchungen ergeben hatten, diesen Wahnsinn würde nichts und niemand aufhalten können.
Ich bemühte mich, nicht zu tief durchzuatmen. Zweifellos ließ mich der Aktivatorchip die Lähmung schneller überwinden, als die Kolonnen-Anatomen annahmen. Sie kannten meine Unsterblichkeit, aber solche Details konnten sie nicht wissen.
Ruhig bleiben!, mahnte ich mich. Es fiel so verdammt schwer, die Finger nicht zu bewegen, die Hände nicht zu Fäusten zu ballen. Mehr und mehr verkrampfte ich mich und versuchte zugleich, mich abzulenken, indem ich meine Gedanken weit in die Vergangenheit schweifen ließ.
Vage stieg die Erinnerung an den Michael Rhodan auf, den es schon im Alter von fünf Jahren nicht mehr zu Hause gehalten und der es geschafft hatte, das Transmittersystem der Erde für seinen kindlichen Forschungsdrang zu nutzen.
Alaska, Zentralafrika, Honolulu, Grönland, Australien - vage Eindrücke, das ehrfürchtige Staunen eines frühreifen Kindes, hatten sich bis heute erhalten.
Es tat gut, solche Erinnerungen zu haben, auch wenn sie sehr schnell von einem scharfen Knacken überlagert wurden.
Ich war nicht mehr allein. Durch die nur leicht geöffneten Lider hindurch glaubte ich, einen Schatten wahrzunehmen.
Außerdem hörte ich das verhaltene Kreischen, das oft genug entstand, wenn die Lamellen eines Kalkpanzers aneinander rieben.
Einer der Kolonnen-Anatomen stand sehr nahe neben mir. Oder waren es mehrere?
Hatte ich bis eben nur ölig riechende Luft geatmet, so spürte ich nun einen kühleren Schwall, der eine Vielzahl undefinierbarer Gerüche transportierte. Das Medosystem öffnete sich demnach.
Niemand redete. Aber durfte ich daraus schließen, dass ich es wirklich nur mit einem Gegner zu tun hatte?
Als ich die Augen öffnete, blickte ich geradewegs in das Gesicht eines Kolonnen-Anatomen. Er reagierte sofort, und während ich noch versuchte, alles um mich herum zu erfassen, riss er einen stabförmigen Gegenstand hoch und stieß ihn mir entgegen. Fauchend löste sich etwas wie ein fingerdicker Nebelstrahl. Er verfehlte mich um Haaresbreite, weil ich mich jäh in die Höhe stemmte. Trotzdem spürte ich einen Hauch prickelnder Nässe im Gesicht und sofort darauf eine partielle Lähmung.
Ich handelte instinktiv, als ich hochfuhr.
Nicht eine oder zwei Stunden hatte ich in dem Medosystem gelegen, sondern sehr viel länger. Ich war steif und unfähig, mich so schnell zu bewegen wie sonst. Trotzdem schaffte ich es, den Arm mit der Injektionskanüle zur Seite zu schlagen, bevor mich eine zweite Ladung erneut außer Gefecht setzen konnte.
Der Anatom wich gurgelnd zurück. Ich taumelte, alles um mich herum drehte sich, aber ich sah, dass er in ein Regal mit undefinierbaren Gegenständen griff, und stieß mich mit aller Kraft ab. Meine Faust krachte in das Regal, wirbelte alles durcheinander. Der Schmerz schreckte mich vollends auf, ich griff nach einer der Verstrebungen und zog mich ruckartig nach vorne. Mit der anderen Hand stieß ich gleichzeitig zu, setzte einen Dagorgriff an, der mir längst in Fleisch und Blut übergegangen war. Meine Knöchel schrammten über den Kalkpanzer, dann trafen meine Finger den Hals des Gegners.
Schlagartig schien sein Gesicht noch bleicher zu werden. Er taumelte gegen das Regal, versuchte vergeblich, nach mir zu greifen, und brach bewusstlos zusammen.
Schwer atmend stand ich da und musste mich abstützen, weil mein Gleichgewichtssinn rebellierte. Zum Glück hielt dieser Zustand nur sehr kurze Zeit an.
Ich hielt den Raum für eine Quarantänestation. Er war nicht sonderlich groß, und es gab keine zweite Liege. Ich wusste nicht, ob sich Yrendir in einem ähnlichen Zustand befand wie ich, aber wenn, dann war er wahrscheinlich in einem angrenzenden Raum untergebracht.
Vorerst verdrängte ich allerdings jeden Gedanken an den Mor'Daer-Kalbaron.
Ich brauchte die Ortskenntnis des Anatomen, alles andere war nebensächlich.
Jetzt bot sich mir die Chance, die Bark zu verlassen, es wenigstens zu
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