2349 - Wurmloch ins Solsystem
mich ist das eines der schrecklichsten Wörter in unserem Sprachgebrauch", fuhr er zögernd fort. „Es bezeichnet Ineffizienz und Beliebigkeit. Dazu Kleinkrämerei und endlose Diskussionsforen, die sich immer wieder neu aufbauschen, weil niemand die Materie beherrscht. Nichts regelt sich von selbst."
Die Erste Terranerin lächelte. Sie schob Adams eines der beiden mit Wasser gefüllten Gläser hin, das die Servoautomatik eben auf den Tisch gestellt hatte. „In der Wirtschaft mag das so sein, Homer", widersprach sie. „Die TANKSTELLEN funktionieren einfacher.
Geradlinig, würde ich es bezeichnen."
„Nein!", sagte Homer G. Adams entschieden. „Ich habe die TANKSTELLEN mit aufgebaut, ich werde nicht mit ansehen, wie ihre Effektivität in einer Lawine von Wenn und Aber begraben wird. Unsere Sicherheit steht auf dem Prüfstand."
„Eben das ist den Menschen bewusst."
Tamira Sakrahan benutzte die auf ihren Handrücken aufgeklebte Steuerfolie, um den halben Besprechungsraum in ein Hologramm zu verwandeln. Der Eindruck entstand, inmitten einer unüberschaubaren Menschenmenge zu stehen.
Jemand redete. Von der Freiheit des Einzelnen. Von dem Recht, sich selbst ebenso wie andere zu verteidigen, und von der Pflicht, das zu tun. Aber auch von dem befriedigenden Gefühl, gebraucht zu werden. „Florine Temple in Brasilia, vor beinahe dreihunderttausend Zuhörern", erklärte die Erste Terranerin knapp. „Danach Bangkok, beinahe eine halbe Million im Nostalgie-Stadtteil River City, außerdem Mittelitalien, Rom, das Douc-Langur-Feld."
Die Szenen glichen sich.39 „Ich kenne die Veranstaltungen und muss sie kein zweites Mal sehen", widersprach Adams ungewohnt heftig. „Ayala und Temple haben das sehr geschickt gemacht.
Sie verdrehen Ursache und Wirkung, indem die Menschen ihre Verantwortung nicht nur erfüllen, sondern sie sogar einfordern."
Die Erste Terranerin hatte inzwischen einen Schluck Wasser getrunken. Über. den Rand des Glases hinweg musterte sie den Unsterblichen. „Terra will offenbar diese Selbstorganisation, daran ist nicht zu rütteln", stellte sie fest. „Die beiden sind nichts anderes als die Initialzündung. Wäre der Wille der Bevölkerung nicht schon vorhanden, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, weder Ayala noch Temple würden das zuwege bringen, 'was da abläuft."
„Sie rennen offene Türen ein." Adams nickte bedächtig. „Ich bin weiterhin der Ansicht, dass eine Selbstverwaltung die Dinge komplizieren und Verkrustungen fördern wird."
„Die Liga Freier Terraner ist keine Diktatur, Homer, sondern nach wie vor demokratisch geführt." Tamira Sakrahan ignorierte, dass Adams die Stirn in Falten legte. „Falls sich diese Organisation konstituiert, werden wir uns nicht gegen sie stellen, sondern die Zusammenarbeit suchen. Jede Unterstützung ist wertvoll, wir stehen schon an zu vielen Fronten mit dem Rücken zur Wand."
„Gut", knurrte Adams. „Ich versuche, meine Bedenken zu ignorieren."
„Mit dreitausend Jahren Erfahrung fällt dir das bestimmt nicht schwer." Ein Lächeln umfloss die Mundwinkel der Ersten Terranerin, doch wurde sie sofort wieder ernst. „Ich verstehe dich sehr gut, Homer.
In der gegenwärtigen Situation muss ich mich aber nach der Decke strecken.
Natürlich erwarte ich, dass du ein Auge auf diese Aktion >TANKSTELLEN sind Bürgersache< wirfst. Von mir aus auch beide. Sollte die Stabilität des Kristallschirms in irgendeiner Weise gefährdet sein, greifen wir ein."
„Also eine Demokratie mit kleinen Einschränkungen." Homer G. Adams konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen.
*
Nur zwei Tage später, am 25. April, konstituierte sich die Vereinigung aller Terraner, die zum Dienst in den TANKSTELLEN eingeteilt waren oder darauf warteten, zum TERRANOVA-Globus.
Die Versammlung wurde zum Großereignis, wie Terrania es in jüngster Vergangenheit nicht erlebt hatte. Innerhalb weniger Stunden hatten sich die Informationen über Ort und Zeit wie ein Lauffeuer rund um die Erde verbreitet. Die Medienpräsenz übertraf sogar das Endspiel zwischen Luna Levitator und Asia Delhi.
Kurzfristig musste die im Vorfeld des Stadions der Sterne geplante Versammlung verlegt werden. Shaun Ayala schaffte das unmöglich Scheinende. Er bekam nahezu das halbe Areal des Crest Lake Space Port einschließlich dessen Infrastruktur als Ausweichfläche. Noch vor wenig mehr als Jahresfrist wäre so etwas ein Ding völliger Unmöglichkeit gewesen.
Von mehr als einer Million Aktiven -
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