2369 - Quartier Lemurica
Sekundären Schaltsaal berufen."
„Ich weiß. Verzeih, meine Neugierde."
Aheun beorderte einen Robtrix herbei und bestellte eine Tasse Glückmich. Die schwarze, bittere Brühe würde ihn beruhigen und Kraft schenken. „Hat man schon eine Spur des Mörders gefunden?", wechselte er abrupt das Thema. „Ich mache mir Vorwürfe, dass ich Zott vorgestern nicht, so wie fast jeden Abend, besucht habe. Ich hätte das Gift gerochen und ihm das Leben retten können."
„Möglicherweise, Aheun." Sanft, beiläufig streichelte ihm Calazi über den Arm. „Aber der Mörder dürfte sehr gezielt vorgegangen sein und den richtigen Zeitpunkt abgewartet haben. Er wusste, dass du dich mit mir trafst. Was wiederum bedeutet, dass die- oder derjenige über unser Verhältnis Bescheid weiß. Und nein - wir wissen nach wie vor nicht, wer der Mörder Abamäus Zotts ist."
Aheun fühlte, wie seine Freundin erschauderte.
Quartier Lemurica war eine Mördergrube.
All die kleinen und großen Geheimnisse, die so sorgfältig verborgen wurden, kamen irgendwann ans Tageslicht. Stets gab es Priester, die für einen beruflichen Aufstieg bereit waren, das Leben anderer zu opfern.
Ungefähr 130 neugeborene Raphanen kamen Jahr für Jahr in den Genuss eines Verlosungstickets. Die Hälfte der Verstorbenen, die sie ersetzen mussten, waren, so schätzte man, Opfer von Gewaltakten geworden. Offizielle Zahlen lagen selbstverständlich keine vor. Die Sterbeärzte hüteten sich, das wahre Ausmaß des mörderischen Intrigantentums öffentlich zumachen. „Ich habe Angst", sagte Aheun. Er griff nach Calazis Hand und drückte sie. „Du hast immer Angst. Und dennoch konntest du dich bislang stets mit der nächsthöheren Aufgabe steigern. Es wird dir auch dieses Mal gelingen."
*
Aheuns Weihe zum Ordin wurde von einer Kette von Ereignissen überschattet, die nicht nur auf Ratsherren und Ordin, sondern auf die Gesamtheit der Raphanen verstörend wirkte.
Aggregate, die auf hyperphysikalischer Basis arbeiteten, zeigten plötzlich einen deutlich eingeschränkten Wirkungsgrad.
Sie benötigten mehr Energie, während wertvolle Hyperkristalle schneller auslaugten oder gar zerfielen. 180 Raumschiffe sicherten den notwendigen Pendelverkehr zwischen Arkan-Raphan, seinen vier Monden und den Fragmentwelten der zerstörten Planeten Erontis und Sepdelen. Ihre Funktionalität und ihr Wirkungsgrad mussten von einem Moment zum nächsten in Frage gestellt werden. „... aber bleibt uns denn eine Wahl, als wie bisher fortzufahren?", fragte der greise Torn Mixnak über Lemurica-Trivid. „Gibt es denn eine Alternative zu hyperkristallbetriebenem Raumverkehr?"
Er schüttelte energisch den Kopf und beantwortete sich die Frage gleich selbst. „Nein! - Denn ein Rückbau auf ältere Antriebssysteme würde Ressourcen kosten, über die wir Raphanen schlichtweg nicht verfügen."
Er bemühte sich, ein staatstragendes Gesicht zu zeigen, hatte seine Mimik jedoch kaum unter Kontrolle. Der Versuch geriet zur Grimasse, zur verzerrten Selbstdarstellung eines Mannes, der nicht mehr in der Lage schien, seinen eigenen Körper zu beherrschen. „Der Rat ist sich der Bemühungen des. raphanischen Volkes gewiss, durch vermehrte Anstrengungen in der Förderung von Hyperkristallen und durch Einschränkungen in privaten Bereichen die Unbill auszugleichen, die uns durch diese seltsame Naturkatastrophe entstanden ist ..."
Aheun schaltete das Trivid-Gerät ab. Er hatte bestenfalls die Hälfte dessen verstanden, was der Oberste verklausuliert zum Ausdruck bringen wollte. Er konnte sich allerdings vorstellen, dass in diesen Momenten große Teile der 42 Milliarden starken raphanischen Bevölkerung aufstöhnten. Die Ansprache hatte Schlagworte wie „Verknappung", „Rationalisierung" und „Opfer" beinhaltet.
Es würde den Raphanen also in Zukunft noch schlechter gehen als bisher. „Seltsam", sagte er zu Calazi, während er sich für die Weihe zum Ordin vorbereitete, „die Anlagen der Maschinenstädte funktionieren augenscheinlich ganz normal weiter. Auch die Robtrix im Quartier Lemurica zeigen keinerlei Ausfallerscheinungen. Wie ist es denn mit dem Sonnentransmitter und der Justierungsstation? Was geht im Sekundären Schaltsaal vor sich?"
Calazi klopfte ihm auf den Hintern, während er sich mühsam aufrichtete. „Du versuchst es schon wieder! Ich sagte dir doch, dass du alles erfahren wirst, sobald du die Weihe zum Ordin erhalten hast."
Aheun nickte. Er hatte mit dieser Antwort gerechnet.
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