2377 - Escher
du auch schon?", empfing ihn Rodin Kowa mit giftiger Stimme. „Wurde aber Zeit."
Savoire ging auf die bissige Bemerkung nicht ein. „Ist es tatsächlich die Botin des Nukleus?"
„Sie inspiziert alles, wandelt in der Kammer umher, als sei sie eine ätherische Gestalt. Sie hat mich gebeten, ihr wenige Minuten Zeit zu geben, und versichert, dass sie keinen Schaden anrichten werde."
„Der Nukleus zeigt Interesse an ESCHER", sagte Savoire nachdenklich. „Ist dir klar, was das bedeutet? Das Projekt verspricht Erfolg!"
Kowa dämpfte seine Euphorie. „Diese Schlussfolgerung ist kurzsichtig. Diese Suzuke inspiziert die Kammer, nicht mehr.
Sie schaut sich alles an und hat sich nicht einmal angemeldet. Vielleicht gefällt sie sich in einem dramatischen, theatralischen Auftritt und verzieht sich wieder."
„Abwarten." Savoire ignorierte eingehende Meldungen auf dem Armbandfunk. Er besaß momentan nur Augen für die Botin des Nukleus. Wie würde ihr Urteil ausfallen? War dies die Stunde eines neuen Aufschwungs - oder der Anfang vom Ende für ESCHER?
Sie blickten gebannt durch die Eingangstür ins Innere der Gedankenkammer. Suzuke kam mit langsamen, irgendwie schwebend wirkenden Schritten auf sie zu. Als sie sprach, war ihre Stimme dünn, doch die Gewalt ihrer Worte nahm Savoire gefangen. „Der Nukleus wird ESCHER ab sofort unterstützen. ESCHER birgt alle Voraussetzungen, eine Parapositronik zu werden."
Ehe Kowa eine patzige Antwort formulieren konnte, ergriff Savoire das Wort. „Was bedeutet das? Was verstehst du unter einer Parapositronik?"
Suzukes Gestalt wurde durchscheinend, stabilisierte sich aber noch einmal. Sie streckte eine dünne Hand mit langen, anmutigen Fingern aus, wies hinter sich in die Kammer. „Der Nukleus wird ESCHERS Genese ab sofort fördern."
„Genese?"
Auch auf diese Frage erhielt Laurence Savoire keine Antwort.
Die Botin des Nukleus verschwand so plötzlich, als sei sie teleportiert.
*
Zurück blieben Rodin Kowa und Laurence Savoire. Die Gedankenkammer war zurzeit mit neunzehn Prozessoren besetzt, doch diese schliefen und hatten von dem ungewöhnlichen Besuch nichts mitbekommen. Der Alarm hatte zwar durch das gesamte Gebäude gegellt -- doch die Gedankenkammer selbst war davon ausgenommen gewesen.
Savoire blickte verwirrt über die Schulter zurück in Richtung Antigravschacht. „Warum kommt außer uns niemand?" Er kicherte nervös. „Wozu unterhalten wir drei Sicherheitsleute, wenn ..."
Kowa ging in die Kammer. „Ich habe sie per Funk angewiesen, sich zurückzuhalten, noch ehe du eingetroffen bist. Nachdem ich Suzuke erkannt habe, hielt ich es für angebracht, Entwarnung zu geben."
Sein Stellvertreter folgte. „Aber daran, mich zu informieren, hast du wohl nicht gedacht?"
„Ich wollte dir Gelegenheit geben, selbst die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Ist es nicht schon lange dein angestrebtes Ziel, meinen Posten einzunehmen und ESCHER zu leiten?
Quasi als Zeus, oder wie hieß dieser Zyklopengott doch gleich?"
„Es gibt keinen Zyklopengott", sagte Savoire barsch. „Und jetzt ist ganz bestimmt nicht die Zeit für irgendwelche dummen Spielchen. Ich will nicht deinen Posten, ich will nur, dass ESCHER ..."
„Schon gut, schon gut." Rodin Kowa blieb vor einem der wenigen belegten Kreuzkokons stehen. „Wenn ich nicht genau wüsste, dass du mit Herz und Seele bei der Sache bist, hätte ich dich schon längst rausgeworfen, das muss dir doch klar sein. Ich akzeptiere dich, Laurence.
Deswegen setze ich dich auch über die nächsten Schritte in Kenntnis. Ab sofort verhänge ich eine interne wie externe vollständige Informations- und Ausgangssperre. Niemand, verstehst du, niemand verlässt das Gebäude, bis ich die Sperre beende. Kein Wort von dem, was die Botin des Nukleus gesagt hat, dringt nach draußen. Nicht einmal unsere Kollegen sollten davon erfahren, bis es unvermeidbar ist."
„Eine rabiate Maßnahme." Savoire blieb neben seinem Chef stehen und warf einen flüchtigen Blick ins Innere des Kreuzkokons. Es überraschte ihn nicht, darin Vanika Hoog zu sehen. Ihre Gesichtszüge wirkten eingefallen und erschöpft, aber keinen, der sie ansah, würde es verwundern, dass sie sowohl Kowa als auch Atturo Bicker um den Verstand gebracht hatte. Seit Savoire um die alten Zusammenhänge wusste, hatte er Vanika oft beobachtet und nicht nur einmal bemerkt, wie schön sie in ihrer Jugend gewesen sein musste. „Aber notwendig", ergänzte Kowa. „Da ich nun einmal der
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