2378 - Der Erste Kybernetiker
eine einfache Anfrage bei der Stadtverwaltung ergibt, dass all diese Personen tatsächlich gestorben sind. Ich wage gar nicht daran zu denken, wie viele es inzwischen sein mögen, und garantiert waren nicht alle von ihnen unheilbar krank, das würfe nämlich ein ziemlich schlechtes Licht auf unsere fortschrittliche Medizin.
Niemand, der bei klarem Verstand ist, kann annehmen, dass sie alle eines natürlichen Todes gestorben sind.
Außerdem steht fest, dass Savoire tatsächlich mit einem Hypnoblock zu kämpfen hat. Alles passt zusammen."
Marc London warf ihm einen Blick zu, in dem weniger Skepsis als vielmehr Trotz zu lesen war. Offenbar wusste der junge Mutant, dass Savoires Geschichte stimmte - aber er wollte sie nicht wahrhaben.
Lieber verschloss er seine Augen vor der Realität. „Der Nukleus ist kein Mörder."
Guckys Biberschwanz schlug gegen Marcs Füße. „Was du eigentlich sagen willst, ist, dass Fawn keine Mörderin ist."
„Darum geht es nicht!"
„Oh doch", beharrte der Mausbiber. „Genau darum dreht sich deine Einschätzung der Lage."
Rhodan war nicht gewillt, sich auf eine weitere Diskussion einzulassen. „Wir müssen den Rest der Geschehnisse erfahren. In Savoires Bericht fehlt noch eine Zeitspanne von neun Monaten. Neun Monate! Viel kann sich in dieser Zeit geändert haben, aber ich befürchte, es war eine gute Entscheidung, Einsatztruppen rings um das ESCHER-Gebäude zu postieren."
Guckys .Augen weiteten sich. „Willst du mitten in Terrania einen Krieg anzetteln?"
„Ich nicht", erwiderte Rhodan entschlossen. „Aber anscheinend hat ESCHER, uns schon vor fast einem Jahr den Krieg erklärt. Wenn das stimmt, ist es an der Zeit, endlich darauf zu antworten."
„Savoire kommt wieder zu sich", sagte Gucky..
Das Augenlid des Ersten Kybernetikers flatterte. „Wwas ... was ist' geschehen?"
„Du bist erschöpft", erklärte Rhodan. „Berichte uns ab sofort schneller. Lass Details aus. Es bleibt nicht mehr viel Zeit, bis du eine längere Ruhepause benötigst."
Savoire nickte. „Ich befürchte ohnehin, dass ich verfolgt werde. Die Zeit drängt.
Aber ich musste so detailliert erzählen, damit du verstehst, was vorgefallen ist und wie es überhaupt so weit kommen konnte."
„Niemand macht dir einen Vorwurf", versicherte Gucky.
Savoires Atem ging schneller, als er wieder zu berichten begann.
3.
3. Mai 1345 NGZ
Laurence Savoire konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Und warum sollte er es? Er hatte sich eine Pause mehr als verdient. Sie stand ihm zu. Er setzte sich und lehnte mit dem Rücken gegen das riesige Element, das als Kühlung für die Gesamtmenge der positronischen Elemente in diesem Stockwerk diente.
Das glatte Metall strahlte Kälte aus, die durch Savoires Kleider drang und sich unangenehm zwischen den Schulterblättern ausbreitete. Ganz offensichtlich war dies ein schlechter Platz, um sich auszuruhen, aber das war ihm gleichgültig. Er war einfach nur müde.
Sein Gehirn schien in eine Dämmschicht aus Watte gepackt zu sein. Erschöpfung breitete sich so tief greifend in ihm aus, dass die üblichen Tricks nicht mehr halfen - die leichten Aufputschmittel wirkten nicht, ganz zu schweigen vom sogenannten Koffeinschub des allmorgendlichen Espresso.
Dennoch quälte sich Savoire seit Tagen an die Arbeit und forderte sich selbst Höchstleistungen ab, um seine Aufgabe wenigstens andeutungsweise zu erfüllen.
Sie bestand darin, die Integration zwischen Positronik und Hyperdim-Matrix zu fördern - das hatten Astuin und Myhr noch einmal betont.
Aus ihrem Mund klang es wie eine Kleinigkeit: Fördere die Integration zwischen Positronik und Hyperdim-Matrix.
So leicht sich diese Worte sprachen, so schwer waren sie zu erfüllen. Denn weder die beiden Avatare noch ESCHER selbst gaben eine Erklärung ab, wie dies zu bewerkstelligen war. Warum sie schwiegen, war wiederum völlig klar; sie wussten es selbst nicht. Genauso wenig wie irgendjemand sonst. „Deshalb benötigen Sie mich als Ersten Kybernetiker. Welche Ehre." Er lachte spöttisch. An der Spitze schien er eine Tendenz zu Selbstgesprächen zu entwickeln, die andere vielleicht schon als pathologisch bezeichnen würden. Aber gerade der Spott einem unsichtbaren Gesprächspartner gegenüber bildete ein willkommenes Ventil für seine Anspannung, die von Tag zu Tag, ja von Stunde zu Stunde zunahm.
Nach wie vor war er sich unsicher, wie er sich verhalten sollte. Er billigte ESCHERS Handeln nicht, aber er sah die
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