2383 - Avatare ESCHERS
ihm vorbei war. Sie hatte so entschlossen gewirkt, dass er es nicht gewagt hatte, und sie hatte ihn wohl gar nicht bemerkt.
Gedankenverloren hatte sie gewirkt. „Soll ich vielleicht alles alleine machen?", vernahm er neben sich eine Stimme. „Natürlich wäre das kein Problem, aber deswegen hast du mich wohl kaum gerufen, oder?"
Piston-Whill schaute über die Schulter zu seinem Mitarbeiter, der bereits die Würfel der ersten Flugdrohnen fakturierte. Sein lauernder Unterton war ihm nicht entgangen. Gun-Akar Torzitt war eine imposante Erscheinung, gut zehn Zentimeter größer als er, ein spitzer Schädel mit weißem Haarkranz, der ihm bis auf die Schultern hinabwallte, lodernd rote Augen und strenge Züge um die Mundwinkel. Torzitt war ein Ara-Arkoniden-Mischling. „Du wirst dich schon nicht überarbeiten", murmelte Piston-Whill, und ohne ihn anzusehen, entgegnete Torzitt etwas, das der Logistiker nicht genau verstand. Er verkniff sich eine barsche Antwort. Aber diese unverschämte Art des anderen ärgerte ihn. Torzitt war ihm unsympathisch, obwohl er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Eine Plaudertasche und arrogant obendrein.
Außerdem hatte er über Dritte erfahren, dass Torzitt auf Piston-Whills Posten scharf war. Und er hätte den sehen wollen, der gern solche Mitarbeiter hatte.
Seine Gedanken wanderten wieder zu der Frau. Wieso ist sie an mir vorbeigegangen?
Siedend heiß fiel ihm ein, was für eine Frage er sich da stellte. Immerhin kannte die Frau ihn nicht. Sie waren einander nie vorgestellt worden und hatten bislang nicht mehr als ein paar Belanglosigkeiten gewechselt. Ach, und weshalb sollte ihn das überhaupt interessieren?
Er schüttelte den Kopf und wandte sich der ersten Flugdrohne zu, die vor ihm in der Luft schwebte und ihm einen Würfel hinhielt. Er betrachtete die farbige Flüssigkeit, suchte auf seinem Pad nach der Kennziffer und bestätigte mit einem Tastendruck den Wareneingang.
Seufzend blickte er zur nächsten Drohne hoch, die sich an ihn wandte. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sein Mitarbeiter gar nicht so schnell die Inventarliste absuchen konnte, wie ihm Extrakt-Proben zugeführt wurden. Torzitt hatte zweifellos mehr Stress, als er gewohnt war. Trotz seines Anspruchs auf Piston-Whills Job war er nicht gerade einer der Schnellsten.
Der Logistiker konnte seine Gedanken nicht von der Frau lösen. War es Zufall gewesen, dass er sie so bald nach ihrer ersten Begegnung wieder gesehen hatte?
Luna war weiß Gott groß.
Piston-Whill glaubte nicht an Schicksal. Er war durch und durch Rationalist und liebte es, sich mit immer gleich erscheinenden Abläufen zu beschäftigen, liebte es, die winzigen Unterschiede darin wahrzunehmen und sie einzuordnen, allem seinen korrekten Platz zuzuweisen. Das verlieh ihm ein Gefühl von Sicherheit und persönlicher Wichtigkeit.
Diese Frau war anders. Sie strahlte etwas Fürsorgliches und Selbstbewusstes aus, was gleichzeitig Sehnsucht und Frieden in ihm auslöste. Sie wirkte. als gehörte ihr die Welt.
*
Ob ich geortet wurde? Wenn ja, ist meine Mission in Gefahr, und ich muss untertauchen. Das wäre schrecklich, weil ich meine Familie finden muss. Vorher kann ich gar nicht richtig beginnen.
Ich habe mehr Informationen als mein Vorgänger und konkretere Anweisungen.
Ich weiß, wonach wir suchen müssen.
Dazu muss ich erst eine andere Gestalt annehmen. Aber ich finde einfach nicht den richtigen Templaten. Dabei tickt die Uhr.
Ich kann jeden Augenblick auffliegen, könnte doch sein.
Vielleicht bin ich sogar schon aufgeflogen, und sie führen mich an der langen Leine.
Könnte doch sein.
Vielleicht wissen sie, dass es mich gibt, könnte doch sein. Dann stellen sie mir irgendwo eine Falle.
Und wenn sie mich überhaupt nicht geortet haben?
Ja, das kann auch sein. Es wäre wundervoll, wenn ich unentdeckt geblieben wäre. So viel steht für mich auf dem Spiel.
Vor allem meine Familienehre.
Ich muss einen Templaten finden, ein geeignetes Wesen, dessen Gestalt ich annehmen kann.
Am besten wäre ein Funktionsträger; nicht zu hohen Ranges, nicht zu niedrigen. So jemand weiß eine Menge und hat Beziehungen. Aber er sollte nicht im Rampenlicht stehen, damit ich Zurückhaltung üben kann. Zurückhaltung ist wichtig.
Schon deshalb, weil ich sein Denken und Handeln nicht gewohnt sein werde und...
Aber wer soll ich werden? Wer denn nur?
Es gibt hier Tausende möglicher Templaten. Wen soll ich mir aussuchen?
Ich darf es nicht verpatzen
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