2391 - Die Schwarze Zeit
dieser Mann? 28. Dezember 1345 NGZ Milla saß wie betäubt da, betastete sein gebrochenes Schulterblatt und rieb sich den kahlen Schädel, der im Licht Jonas glänzte. Ein Medorobot war bereits bei ihm und injizierte ein Knochen aufbauendes Präparat, das den Bruch innerhalb der nächsten zwei oder drei Tage heilen sollte.
Kurze Zeit darauf kam Gloria Carely, setzte sich zu ihm und hörte ihm zu.
Als sie den Medotank erblickte, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und flüsterte dem sitzenden Ertruser etwas ins Ohr.
Dann wandte sie sich Daellian zu. Sie wirkte betreten. „Was hat er angestellt?", fragte sie leise. „Der Ertruser? Er hat den jungen Algorrian gerettet. Wer ist dieser Mann eigentlich?"
Carely staunte den Medotank an. Obwohl sie seit einigen Wochen für Daellian arbeitete, wusste sie immer noch nicht genau, wohin sie eigentlich blicken sollte. „Er ist kein Mann", stellte sie richtig, „er ist ein Kind. Ein ewiges Kind."
„Schön", sagte Daellian und schlug vor: „Dann bring ihn nach Photon-City in einen Hort oder in eine Spieloase."
Carely holte Luft. „Nein. Er bleibt bei mir.
Ich erkläre es dir. Viltur Milla wurde am 6.
Februar 1289 NGZ auf Trevala geboren, das war, kurz bevor Rhodan mit der GILGAMESCH im Solsystem auftauchte, um bald darauf wieder über die Brücke in die Unendlichkeit zu verschwinden. Vilturs Eltern waren in den Wirren der Tolkander-Krise ums Leben gekommen; er weiß nicht einmal, wo. Ich glaube, Viltur hat keinerlei Erinnerungen an seine Eltern. Sein Bruder Diroza hat nie mit ihm über diese Ereignisse geredet und mit mir auch nicht.
Diroza ist schon tot. Vielleicht weißt du, dass die Ertruser-Kolonie auf Trevala allmählich geräumt wird."
„Nein", sagte Daellian, „ich verfolge die Kolonial-Nachrichten nicht."
Carely fuhr ungerührt fort: „Das Strahlungsspektrum von Trynvors Stern gefährdet nicht nur das Genmaterial ertrusischer Keimzellen, sondern verkürzt auch die Lebenszeit eines Ertrusers. Diroza ist nur knapp über 300 Jahre alt geworden.
Diroza war aus Gründen, die ich nicht kenne, ein Jahr zuvor nach Terra eingewandert. Er war ein hervorragender Genmodulator, und es hat ihn zur Verzweiflung getrieben, dass er kein Mittel gegen das Gingor-Trevala-Syndrom finden konnte, an dem Viltur leidet. Du kennst das Syndrom?"
Daellian machte sich wahrscheinlich über seine Positronik rasch kundig. „Ja."
„Diroza und ich haben uns an der Universität der Neo-Ruhrstadt kennengelernt. Ich war die Einzige, der er seinen Bruder manchmal anvertraut hat.
Zum Babysitten. Ich habe Viltur nach Dirozas Tod nicht adoptiert, es ist kein Rechtsverhältnis. Aber - hast du schon mal einen Ertruser am Grab gesehen?"
Carely schwieg einen Moment, sodass es wie eine Frage klang, und Daellian antwortete: „Nein."
„Viltur stand so riesengroß da und so verloren, da ... Du verstehst schon."
„Ja", sagte Daellian. Carely hatte das Gefühl, als wollte er das Gespräch nur noch beenden. Was interessieren ihn Lebensgeschichten?, dachte sie. Er hat selbst kein echtes Leben mehr.
Aber sie sprach weiter. „Wir haben ihn auf Trevala beerdigt. Trevala war für ihn das, was einer Heimat am nächsten kam. Viltur wollte zunächst nicht nach Terra zurück, und dann ging es nicht mehr, weil der TERRANOVA-Schirm hochgefahren wurde. Und als die Reste der ertrusischen Kolonie von Trevala das Angebot erhielten, in die Charon-Wolke zu wechseln ..."
„Ich verstehe", sagte Daellian. Seine Stimme klang merkwürdigerweise hoch und schrill. „Darf er bleiben?", fragte Carely. Es war das erste Mal, dass sie Daellian um etwas bat.
Daellian schwieg. Milla erhob sich und stellte sich neben Carely.
Gloria Carely maß nur knapp über eineinhalb Meter, hatte aber bislang keine Notwendigkeit gesehen, ihre Knochen operativ strecken zu lassen. Wozu auch?
Sie besaß sensationelles Haar, abgrundtief schwarz wie ein ungekämmtes Black Hole, das die Blicke hinreichend vieler Männer auf sich zog. „Darf er bleiben?", wiederholte sie die Frage.
Der Ertruser betrachtete den Medotank aufmerksam. „Du hast aber ein schönes Haus", sagte er. „Wie kommst du darauf, dass ich hier drin - dass ich nicht das Ding selbst bin? Ein Roboter? Du kennst doch Roboter, oder?"
„Jede Menge", prahlte Milla. „Ich könnte ein Roboter sein ..." Die Stimme klang noch etwas mechanischer als sonst. Offenbar verstellte er sie, erkannte Carely.
Aber wenn er sie so verstellen kann -dann könnte er sie doch auch
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