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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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worden war. Aber weiter als das war trotz allen Suchens nicht zu entdecken. Ich ging also zu meinem Pferd zurück und gab das vergebliche Forschen auf. Da warnte mich Halef:
    „Effendi, bleibe noch! Es wird mir bang, ganz eigentümlich bang, wenn ich sehe, daß du fort willst. Es muß etwas hier geben, was wir wissen sollen; es muß, es muß! Ich habe noch nie in meinem Leben eine solche Angst gehabt wie jetzt. Schau mich an!“
    Er kam zu mir, damit ich ihn betrachten möge. Ich sah, daß seine Wangen feucht waren. Über seinen Brauen glänzte die Stirn von Schweiß.
    „Das ist Angstschweiß!“ sagte er, indem er ihn wegwischte. „Ich bin noch nie so voller Unruhe gewesen wie in diesem Augenblick. Mein Herz schlägt so laut, daß ich es innerlich höre. Ich bitte dich, suchen wir noch einmal!“
    „So wird auch mir fast angst! Derartige innere Erregungen pflegen ihren guten Grund zu haben. Verfahren wir also sorgfältiger! Wir haben bis jetzt nur stehend gesucht. Knien wir nun nieder! Wenn etwas wichtiges zu finden ist, liegt es wahrscheinlich da, wo die beiden Gebieter gesessen haben. Also komm!“
    Wir kehrten zu der betreffenden Stelle zurück und knieten nieder, um das Moos nun nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Fingern abzutasten. Kaum war das geschehen, so rief Halef: „Hamdullillah, ich hab's!“ und ich sagte zu gleicher Zeit: „Hier ist es, da, im Moos!“ Und in demselben Augenblick griff er zu und auch ich. Wir zogen, er mit seiner Rechten und ich mit meiner Rechten, ein Messer heraus, das bis ans Heft im Moos steckte. Dieses Heft war aus Metall, aber so gedunkelt, gealtert, verrostet und vergrünspant, daß es ganz genau die Farbe des Mooses hatte und, von oben betrachtet, nicht von ihm zu unterscheiden gewesen war. Erst als wir niedergekniet waren und unsere Blicke nun von der Seite kamen, hatten wir es bemerkt, und zwar sofort. Die Klinge war blank und scharf, als käme sie erst heut vom Messerschmied, war aber doch vom feinsten, besten, altindischen Stahl. Man konnte mit ihrer Schärfe ein frei schwebendes Haar durchschneiden. Bei näherer Betrachtung sah man, daß das Heft eingravierte Linien und Punkte zeigte, doch waren sie nicht deutlich zu erkennen, und wir gaben uns in diesem ersten Augenblick ganz selbstverständlich nicht gleich die Mühe, diese Figuren zu enträtseln. Unsere Aufmerksamkeit richtete sich vielmehr sofort auf den starken, sonderbaren Rücken der Klinge, welcher rechtwinkelig eingekerbt war, und zwar verschiedentlich breit und tief. Ich kann das nicht deutlicher machen, als indem ich bitte, an unsere neuen, seit einiger Zeit in Mode gekommenen Kofferschlüssel zu denken, die nur aus dem breiten Bart bestehen und deren eingeschnittene Kerben mit den im Schloß vorhandenen Sicherheitsstiften korrespondieren. Diese eigentümliche Klinge steckte nicht fest und unbeweglich im Heft, sondern sie war durch ein Scharnier mit ihm verbunden und konnte also eingebogen werden.
    „Ein Messer, ein Taschenmesser!“ rief Halef. „Das hat entweder der ‚erste Minister‘ oder der ‚höchste aller Priester, die es gibt‘ während des Essens hier in das Moos gesteckt und dann vergessen. Wenn es dem letzteren gehörte, so haben wir das Messer gefunden, mit dem der ‚Gott‘ ißt! Hier nimm es, Sihdi! Und nimm noch etwas dazu!“
    Er gab mir das Messer, welches er festgehalten hatte, und zu gleicher Zeit auch einen Kuß grad auf den Mund. Auf den fragenden Blick, der ihn deshalb aus meinen Augen traf, entschuldigte er sich:
    „Verzeih den Kuß, Sihdi! Ich kann nicht anders. Ich mußte dir ihn geben. Aus Dankbarkeit, daß du erlaubst hast, noch einmal zu suchen. Es ist etwas in mir, was ich nicht selbst bin. Dieses Etwas freut sich unendlich darüber, daß wir das Messer gefunden haben. Es ist für uns bestimmt. Sein Eigentümer ist gezwungen worden, es hier in das Moos zu spießen und dann steckenzulassen. Dieses innerliche Etwas sagt mir, daß dieses Messer von einem Wert für uns ist, den wir noch gar nicht ahnen. Ich bin so froh, so glücklich, daß es von uns entdeckt worden ist! Begreifst du das? Ich nicht! Die Freude gebot mir, dich zu küssen. Wozu aber die Einschnitte im Rücken der Klinge? Ich habe das noch bei keinem andern Messer gesehen. Errätst du ihren Zweck?“
    „Ja.“
    „Welcher ist es?“
    „Dieses Messer war einst das Schlachtmesser für kleinere Opfertiere und zugleich der Schlüssel zu dem Tempel, in dem diese Opfer gebracht wurden.“
    „Ein

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