24 - Ardistan und Dschinnistan I
Klugheit, Übung, Ausdauer, Geschicklichkeit und noch vieles andere. Sihdi, du lächelst! Du machst dich lustig über mich. Gestehe es!“
„Ein wenig allerdings. Deine Aufzählung paßt ebensogut auf jede Prügelei unter zweien. Wie wir seit gestern abend wissen, wird es nicht nur einen Kampf zwischen den Ussul und Tschoban geben, sondern auch die Dschunub werden sich beteiligen. Den Sieger kenne ich schon heut.“
„Der sind natürlich wir!“
„Oho! Der wirkliche Sieger heißt ganz anders als wir!“
„Kenne ich ihn?“
„Ja.“
„Wie heißt er?“
„Wasserschlauch.“
„Was –!“
Das Wort blieb ihm im Mund stecken. Er sah mir ganz verständnislos in das Gesicht. Dann aber schien ihm die Einsicht zu kommen. Er schloß den Mund, der ihm offengeblieben war, nickte mir zu, machte ein pfiffiges Gesicht und fuhr fort:
„– serschlauch! Ganz richtig! Der Wasserschlauch! Der genug Wasser hat, der hält es am längsten aus. Wer aber keines hat, der muß verschmachten, und sei er noch so stark oder noch so klug. Daher also die Tausende von Wasserschläuchen, die du bestellt hast! Du, Sihdi, ich glaube, der Hinweis auf diese Schläuche war Eingebung. Nicht?“
„Vielleicht hast du nicht ganz unrecht, wenn du es so nennst.“
„Aber woher das viele Wasser nehmen für eine solche Menge von Gefäßen?“
„Du meinst für eine solche Menge von Tieren und Menschen. Denn diese sind doch die Hauptsache, die Gefäße aber Nebensache.“
„Mir wird angst, wenn ich daran denke!“
„Mir nicht.“
„Aber grad von dir wird man es fordern! Auf dich wird die Verantwortung fallen! Wirst du sie tragen können?“
„Wahrscheinlich. Ich habe da drei Verbündete, die mich nicht im Stiche lassen werden.“
„Höre, Sihdi, was machst du für ein Gesicht, indem du das sagst! Diese deine Miene kenne ich! Wenn du die vorsteckst, so hast du immer einen guten, pfiffigen Gedanken! Bin etwa ich einer von diesen deinen drei Verbündeten?“
„Nein, mein lieber Halef, du leider nicht. So viel Wasser, wie ich brauche, wirst du mir wohl nicht beschaffen können.“
„Ganz sicher nicht! Aber auch du hast doch nicht, wie einst Musa (Moses) einen Stock, mit dem du nur an den Felsen zu schlagen brauchst, damit Wasser aus ihm springe!“
„Ich habe sogar drei solcher Stöcke!“
„Wo? Wieso? Du meinst das natürlich nur bildlich?“
„Allerdings. Ich meine natürlich unsere drei Verbündeten. Der erste von ihnen ist die Landkarte des Dschirbani, die ich hier in meiner Tasche habe. Ich glaube, daß sie sich außerordentlich gut bewähren wird.“
„Wenn du dich nicht täuschst!“
„Ob ich mich täusche, wird sich noch heut vor Abend zeigen. Täusche ich mich aber nicht, so ist diese Karte von einem Wert, den man gar nicht taxieren kann.“
„Weiß das der Dschirbani?“
„Nein. Es handelt sich um ein geheimnisvolles Zeichen des Dschinnistani auf der Karte. Wenn ich es richtig deute, werden wir wohl nie zu dürsten brauchen.“
„Und der zweite Verbündete?“
„Ist eben mein Zweifel daran, daß die Wüste der Tschoban so ganz und gar wasserlos sei. Wie ich dir bereits andeutete, weisen die Gesetze der Fenni mizani mejah daraufhin, daß –“
„Allah sei mir gnädig!“ fiel er mir da schnell in die Rede, „laß mich mit dieser deiner Fenni mizani mejah in Ruhe, und sage mir lieber, wer dein dritter Verbündeter ist!“
„Mein dritter sind die Vulkane von Dschinnistan.“
„Die feuerspeienden Berge?“
„Ja.“
„Die jetzt allabendlich in Glanz und Flammen stehen?“
„Dieselben.“
„Deine Verbündeten? Das begreife ich nicht!“
„Du mußt bedenken, daß sie nicht nur allabendlich in Glanz und Flammen stehen, wie du sagt, sondern Tag und Nacht, also immerfort, nur daß man es beim Licht des Tages nicht so sehen kann wie während der Dunkelheit der Nacht. Diese vulkanischen Ausbrüche wiederholten sich, wie Taldscha und die Priesterin erzählten, in Zwischenräumen von ungefähr hundert Jahren, und jetzt besinne ich mich, in der Bibliothek unserer Marah Durimeh gelesen zu haben, daß Ssul, der Fluß, der ausgetrocknet ist, weil er gezwungen war, nach seiner Quelle zurückzufließen, in jedem Jahrhundert einmal den Versuch macht, aus dem Paradies zurückzukehren. Es stand da: ‚Dann wird sein Lauf von Sehnsuchtstränen feucht, und Nachtigallen trinken Morgentau, wo sonst sogar der Stein vor Durst verschmachtet!‘ Diese beiden Sagen, nämlich daß die Vulkane alle hundert Jahre
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