24 - Ardistan und Dschinnistan I
Sonnenstrahl funkeln.“
„So? Das ist also eine wissenschaftliche Erklärung?“
„Ja.“
„So sage dieser deiner Wissenschaft, daß ich ihr nicht erlaube, mir das Wunder, welches ich vor mir sehe, zu verkleinern. Was Glimmer ist, weiß ich nicht. Ob dieses Zeug in das Reich der Pflanzen oder der Elefanten gehört, ist mir gleichgültig; ich mag es gar nicht wissen. Ich sehe nur, daß es funkelt, viel schöner und viel entzückender als deine ganze, dunkle Wissenschaft, und daß nicht der Glimmer, sondern dieses Funkeln für mich ein Wunder und eine Wonne ist, das darfst du mir wohl glauben! Schon eher möchte ich fragen, wie dieser hohe Stein hier mitten in die niedrige Wüste kommt?“
„Wahrscheinlich befinden wir uns eben nicht mittendrin. Wir nähern uns der Landenge, von der wir wissen, daß sie aus Felsblöcken besteht, welche die Überreste eines gewalttätigen Naturereignisses sind. Wahrscheinlich ist dieser Glimmerfelsen der am weitesten vorgeschobene Block aus jener Periode und – ah, schau! Jetzt wird er dunkel. Siehst du die Gestalt?“
Von dem feuchten Land, welches hinter uns lag, war eine Wolke aufgestiegen und so vor die Sonne getreten, daß ihr Schatten zu uns her nach Norden fiel. Er verdunkelte den Felsen für eine kurze Zeit, so daß seine Konturen hervortraten und die Figur, die er bildete, in ihrer ganzen Schärfe zu sehen war.
„Ein Melek (Engel), ein Melek! Wahrhaftig, ein Melek!“ rief Halef aus. „Mit einem Friedenszweige in der Hand! Er hat zwei Flügel und steht auf einem Postament von mehreren Felsentrümmern!“
Es war so, wie Halef sagte; der Steinkoloß besaß die von ihm beschriebene Gestalt. Als ich das sah, hielt ich mein Pferd ganz an und griff in die Tasche, um die Karte hervorzuholen, welche mir der Dschirbani gegeben hatte.
„Was willst du? Warum hältst du an?“ frage Halef.
„Um die Landkarte zu befragen. Ich sagte dir, ob sie uns täusche, das werde sich heut noch vor Abend finden. Diese Zeit ist nun gekommen.“
„Es handelte sich da aber nicht um das Funkeln dieses Steines, sondern um das Vorhandensein von Wasser!“
„Ich werde mich auch nicht um das Funkeln, sondern nur um das Wasser kümmern.“
Ich trieb mein Pferd ganz eng an das seinige hin, schlug die Karte auf, zeigte sie ihm vor und fuhr dann fort:
„Hier ist der Engpaß, die Grenze zwischen dem Land der Ussul und dem Gebiet der Tschoban. Das letztere ist zum großen Teil wüst. In diese Wüste siehst du hier eine Reihe von Punkten gezeichnet, welche sich von Süd nach Nord ziehen und alle mit einem Mim und Hah (Arabische Buchstaben M und H) bezeichnet sind. Erkennst du sie?“
„Ja“, nickte er. „Was sind das für Punkte, für Orte?“
„Ich weiß es nicht.“
„Aber du scheinst etwas zu vermuten?“
„Allerdings. Diese Punkte, welche mitten durch die Wüste führen, haben unbedingt etwas zu bezeichnen, was für die Wüste wichtig ist. Und was ist da wohl als das Wichtigste zu nennen?“
„Wasser?“
„Ja, freilich! Ich nehme also an, daß wir es hier mit Stellen zu tun haben, an denen Wasser gefunden wird, und zwar kein salziges oder überhaupt ungenießbares, sondern trinkbares.“
„Und was sollen da diese beiden Buchstaben m und h bedeuten?“
„Moje hilwe (trinkbares Wasser); es ist fast gar nicht anders möglich. Meinst du nicht, Halef?“
„Ja; das meine ich auch. Diese Punkte liegen jedenfalls auf dem Weg, den der Dschinnistani jedesmal eingeschlagen hat, wenn er nach seiner Heimat reiste. Für sich brauchte er diese Aufzeichnung nicht, aber wohl für seinen Sohn, dem die Karte gewidmet war.“
„Wenn das stimmt, so ist uns der Sieg fast nach allen Richtungen hin gewiß, denn wir haben die Hauptsache, nämlich Wasser.“
„Was aber hat das mit dem heutigen Tag zu tun? Daß wir noch vor Abend sehen werden, ob die Karte stimmt?“
„Schau her! Hier liegt der Engpaß. Ganz nahe, südlich davon, ist ein Punkt, der als ‚El Melek‘ bezeichnet wird, also, der Engel, den wir da vor uns sehen. Und darunter stehen die Buchstaben m und h, die wir als ‚Wasser‘ deuten. Wenn wir jetzt bei dem Engel Wasser finden, so ist es für mich gewiß, daß es auch in der Wüste der Tschoban an all den Punkten Wasser gibt, die mit m und h bezeichnet sind. Begreifst du nun, wie wichtig dieser Felsen hier für uns ist?“
„Gewiß! Aber, Effendi, erlaube mir, ein wenig zu zweifeln. Ich frage dich, wo hier das Wasser herkommen soll? Betrachte diesen Sand! Es ist
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