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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dünnste Messerklinge zwischen sie hineinschieben konnte. Und selbst wenn dies möglich gewesen wäre, hätte man nicht daran denken können, eine zentnerschwere Last mit einer solchen Klinge emporwuchten zu können! Halef machte seinem Mißmut Luft, indem er klagte: „Da sitzen wir nun wie die Kamele, kauen wieder und sehen einander an! Ich bin mit meinem ganzen Witz am Ende, und du wohl auch!“
    „Ich noch nicht! Es fällt mir gar nicht ein, das Spiel schon aufzugeben. Es handelt sich nur darum, unser Nachdenken nicht auf falsche Wege geraten zu lassen. Wir haben eine Steinplatte hier, welche gehoben werden soll. Das kann nur durch mechanische Kraft geschehen. Aber von welcher besonderen Art ist diese mechanische Kraft? Werkzeuge sind ausgeschlossen, denn es gibt weder ein Schlüsselloch noch sonst etwas, wo ein Werkzeug angesetzt werden könnte. Die Steinplatte, welche wir vor uns haben, ist also lediglich durch sich selbst zu bewegen. Aber wie? Geht sie auf Rollen oder Rädern? Nein! Ist sie zu verschieben? Nein! Wahrscheinlich handelt es sich um eine sehr einfache und sehr leichte Verlegung des Schwerpunktes, die an sich weder Kraft noch Anstrengung erfordert! Für den, der es weiß, ist es zum Lachen, daß man darüber nachdenkt, ohne es zu finden!“
    „Dem Kerl, wenn ich ihn erwische, haue ich die Peitsche über das Gesicht, sobald er lacht!“ zürnte Halef in seiner drolligen Weise. Und in ironischem Ton fügte er hinzu: „Sei doch so gut, und wende dich an deine Wissenschaften, auf welche du so große Stücke hältst! Ist es ihnen denn nicht möglich, dich aus dieser Verlegenheit zu reißen?“
    „Nur möglich? Ich sage dir, sie können und werden mir helfen! Nur darf ich nicht so dumm sein, mich in verkehrter Weise an sie zu wenden.“
    „Wie heißen sie denn? Nämlich diejenigen, welche?“
    „Es sind ihrer nur zwei: die Um tabijat (Physik) und die Dscherri eskal (Mechanik). Ich habe sie bereits zu Rate gezogen, denn die Fragen, die ich soeben aussprach, waren an sie gerichtet.“
    „Und da antworteten sie nicht?“
    „O doch! Sie haben mir ja gesagt, daß es sich jedenfalls um eine höchst einfache und sehr mühelose Verlegung des Schwerpunktes handelt. Wir müssen also nachforschen, wo er jetzt liegt, und wohin wir ihn sodann zu verlegen haben.“
    „So bitte ich dich, diese Aufgabe zwischen uns zu teilen: Du schaust jetzt nach, wo er liegt, und ich lege ihn dann weiter; wohin, das wird sich finden! Übrigens, wer ist denn das eigentlich, dieser Schwerpunkt? Wenn er nicht bald aufhört, uns den Punkt so schwer zu machen, wie bisher, kann er uns nicht zumuten, uns noch länger mit ihm abzugeben! Es ist jammerschade, daß der Engel, zu dessen Füßen wir uns über deine Ilmi tabijat und Dscherri eskal die Köpfe zerbrechen, nur von Stein ist. Wenn er ein wirklicher Schutzengel wäre, würde ich mich an seine Hilfe wenden und –“
    „Er ist einer; er ist einer!“ unterbrach ich da den Hadschi. „Paß auf, er wird uns helfen!“
    „Er? Der Engel? Dieser hier?“ fragte der Hadschi verwundert.
    „Ja, er, dieser Engel“, antwortete ich. „In dem Augenblick, an dem du ihn nanntest, kam mir der Gedanke, der höchstwahrscheinlich der richtige ist. Und als mein Auge diesem Gedanken folgte, stieß es auf das, was uns bisher entgangen ist, obwohl wir es sofort hätten sehen sollen. Halef, wir sind dumm gewesen, außerordentlich dumm!“
    „Ihr? Also du und deine Wissenschaften? Da sagst du mir nichts neues! Das weiß ich ja schon längst! Sie werden dir nie von Nutzen sein! Dagegen aber ich! Schau mich an, Sihdi! Kaum öffne ich den Mund, um von dem Engel zu sprechen, so kommt dir sofort der richtige Gedanke! Der ist also doch von mir! Hoffentlich siehst du nun endlich einmal ein, wie hoch ich über deiner Gelehrsamkeit stehe, die dich stets und gerade dann im Stich läßt, wenn du sie brauchst! Aber sag, was ist denn das, was du erst jetzt gesehen hast und was wir doch sofort hätten sehen sollen?“
    „Ich frage dich, welche Form hat die Steinplatte, welche den Deckel des Brunnens bildet?“
    „Sie ist viereckig.“
    „Wieviel Kanten muß sie also haben?“
    „Vier. Das ist ja verständlich!“
    „Zeige sie mir, nämlich diese vier!“
    Das Viereck lag vor uns, aber nur von drei Seiten sichtbar umrissen. Die vierte stieß an die schon erwähnte Gewandfalte des Engels, und es gab da weder eine Spalte noch auch den dünnsten Strich oder Riß, welcher die Platte von der Falte trennte.

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