24 - Ardistan und Dschinnistan I
es mir, als ob der von mir bereitete Sitz eigentlich viel mehr dir gehöre als dem anderen, von dem wir sprechen. Nach allem, was der Scheik der Haddedihn soeben erzählte, ist es euch wohl zuzutrauen, daß euch gelingt, was ihr euch vorgenommen habt, aber ich bitte, euch auch unseres Beistands zu bedienen, falls es uns beiden möglich sein sollte, euch nützlich sein zu können.“
„Ich weise eure Hilfe nicht zurück, sondern ich bitte euch sogar ganz besonders darum, sie uns zu erweisen. Freilich muß ich dabei eine Bedingung stellen, von deren Erfüllung ich nicht abgehen kann.“
„Welche ist es?“ fragte er.
„Die Verschwiegenheit. Es soll sein, als ob alles direkt vom Dschirbani ausgehe. Man soll nicht von uns sprechen, sondern von ihm. Auf ihn sollen Ruhm und Ehre fallen; aber uns zu rühmen und zu preisen, daran soll man gar nicht denken.“
„Maschallah!“ rief Abd El Fadl da aus. „Gibt es bei euch in deinem Vaterland auch ein Dschinnistan?“
„Wie meinst du das?“ fragte Halef, der den Ausdruck nicht sofort verstand.
„Ein Dschinnistan vielleicht auch bei euch in Arabien? Ich meine einen Kreis von höherstehenden, weiter denkenden und tiefer fühlenden Menschen, bei dem ein jeder verpflichtet ist, der gute Engel eines seiner nächsten zu sein, ohne daß dieser eine Ahnung davon hat? Denn das ist es doch, was ihr euch vorgenommen habt, ihr wollt die Schutzengel des Dschirbani sein, ohne daß er oder ein anderer davon erfährt. Das ist ja von euch derart im Sinn von Dschinnistan gedacht, daß ich euch von Herzen gern meine Hilfe zur Verfügung stelle und mit ihr auch unsere Verschwiegenheit. Nur möchte ich da wissen, in welcher Richtung und in welcher Weise wir euch unterstützen können. Großes freilich werden wir euch nicht bieten können; ihr seht, wir sind arm.“
„Wie der Reiche oft ärmer als der Arme ist, so ist auch der Arme oft reicher als der Reiche“, sagte ich. „Ihr könnt uns wahrscheinlich mehr geben, als ihr selbst denkt oder ahnt. Ich will dir sagen, wie ich mir den Zusammenstoß der Tschoban mit den Ussul denke. Dann wird sich leicht finden, ob und womit ihr uns unterstützen könnt.“
Ich teilte ihm mit, was der Leser bereits weiß, und fügte noch einige Gedanken hinzu, die mir gekommen waren, während ich mich seit gestern hier an Ort und Stelle befand. Er stimmte nicht nur bei, sondern er fühlte sich begeistert. Er fand nicht das geringste an dem, was ich beschlossen hatte, zu ändern. Dann fügte er hinzu:
„Ich bin dir unendlich dankbar, Sihdi, daß du uns für wert gehalten hast, diese Mitteilungen aus deinem Mund zu hören. Nun wissen wir ja, daß es uns möglich ist, das unsere zum Gelingen beizutragen. Unsere Hilfe wird sich über zwei Gebiete erstrecken, nämlich über den Engpaß selbst und sodann auch über die Steppe und Wüste der Tschoban, durch die ich so oft in meinem Leben gekommen bin, daß wohl keiner dir bessere Auskunft geben kann als ich. Den Engpaß kennen wir beide ganz genau. Wir haben genug Zeit gehabt, ihn bis in seinen kleinsten Winkel zu durchsuchen. Erlaubst du mir, dir einen Vorschlag zu machen?“
„Ich bitte dich, ihn auszusprechen!“
„Ihr reitet heute nicht weiter, sondern ihr bleibt bis morgen hier. Der Paß ist für euch von so großer Wichtigkeit, daß ihr ihn nicht vernachlässigen dürft. Ihr müßt ihn kennenlernen; ich zeige ihn euch. Das geschieht zu Fuß, eure Pferde haben also Ruhetag. Am Vormittag werden wir die eine Hälfte und am Nachmittag die andere Hälfte der Landenge durchforschen. Merhameh bleibt hier, um uns für den Mittag und für den Abend das Mahl zu bereiten, wenn wir nach Hause kommen.“
„Zu diesem Mahl kann ich ihr Fleisch und auch noch anderes liefern“, fiel ich ein.
„Wir danken dir!“ antwortete er abwehrend. „Eure Vorräte sollen nicht angegriffen werden. Wir brauchen nicht zu hungern. Das Meer liefert uns köstliche Fische; aus der Wüste holen wir uns Manna, und an der Küste ziehen wir uns schmackhafte Narasäpfel, die euch sicher schmecken werden. Morgen aber bleibt der Scheik der Haddedihn bei Merhameh zurück, weil ihr nur zwei Pferde habt; wir beide aber, du und ich, wir reiten nach dem Norden auf Kundschaft aus, um nach den Kriegern der Tschoban zu spähen. Die Gegend ist mir bekannt. Wir werden also wahrscheinlich mehr Erfolg haben, als wenn du mit Halef rittest, der doch hier vonnöten ist, für den Fall, daß während unserer Abwesenheit etwas nicht Vorausgesehenes
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