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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dieser Art zu siegen. Ich werde euch erzählen. Hört zu!“
    Schon öffnete ich den Mund, um ihn zu verhindern, seine Absicht auszuführen, da kam er mir schnell zuvor:
    „Schweig, Sihdi, schweig! Ich bitte dich! Du kannst alles, aber reden kannst du nicht! Mir aber hat Allah die Gabe verliehen, die Welt mit dem Mund zu beherrschen. So bist du also verpflichtet, zu schweigen, mich aber reden zu lassen. Zudem weißt du doch, daß ich krank bin, daß ich den Schwindel habe und hier in dieser Hütte sitzen muß, um nicht von dieser Höhe hinab und mitten in das Meer hineinzufallen. Kranken aber hat man den Willen zu tun, sonst werden sie nicht wieder gesund!“
    „Was das betrifft“, antwortete ich ihm lachend, „so will ich dich schon wieder gesund bringen, ohne daß du –“
    „Nein, niemals ohne das!“ fiel er mir in die Rede. „Also, ich darf?“
    „Ich bitte dich, laß ihn sprechen“, nahm sich Abd El Fadl seiner an. „Er gefällt mir auch, dein berühmter Hadschi Halef!“
    „Mir ebenso!“ lächelte Merhameh, indem sie mit einem leisen, heimlichen Augenzwinkern an meine Nachsicht appellierte. Dieses liebe Einverständnis, in welches sie sich zu mir stellte, entwaffnete mich vollständig.
    „So sprich!“ nickte ich dem kleinen Hadschi zu. „Aber mach es gnädig!“
    „Ich werde es so gnädig machen, daß selbst du von dieser meiner Gnade nicht nur gerührt, sondern auch überwältigt bist“, antwortete er.
    Und er hielt Wort. Er erzählte zwar in seiner poetischen Weise, aber er hütete sich vor jeder Übertreibung. Er sprach so objektiv und sachgemäß, wie ich es aus seinem Mund noch nie gehört hatte. Es war dieses Mal wirklich eine Freude, ihm zuzuhören, auch für mich. Das war um so mehr zu verwundern, als er doch so hochtrabend begonnen hatte. Aber es gab in der ganzen Zeit, während er sprach, einen pfiffig-ironischen Zug in seinem Gesicht, von dem ich mir die Aufklärung über diese ungewöhnliche rednerische Enthaltsamkeit und Selbstbeherrschung versprach. Und richtig, es kam auch wirklich ganz so, wie ich dachte! Er erzählte aus vergangenen Zeiten, vom ‚Tal der Stufen‘ und von verschiedenen Ereignissen aus unserm Leben, welche bewiesen, daß die Klugheit über die Gewalt und die Güte über das Unrecht geht. Dann erzählte er, wo und wie wir mit Marah Durimeh bekannt geworden waren und sie dann wieder getroffen haben. So kam er schließlich nach Sitara und von da aus zu den Ussul. Er sprach dabei so kurz und bündig, so treffend und vorsichtig, daß er seine gewöhnliche Art und Weise vollständig verleugnete. Und was er bisher noch niemals fertiggebracht hatte, diesesmal gelang es ihm: Er vermied alles Indiskrete; er griff mir nicht vor, und er unterließ jedes Lob und jeden Tadel, der nicht in der Sache selbst lag und also unvermeidlich war. Er ließ von unsern Erlebnissen bei den Ussul und während unsere Rittes hierher nichts weg, so daß am Schluß Abd El Fadl über alles unterrichtet war, was er wissen mußte. Als Halef geschlossen hatte, wandte er sich an mich:
    „Nun, Sihdi, bist du mit mir zufrieden? Ich hoffe, daß du an dem, was ich gesprochen habe, nichts auszusetzen hast?“
    „Es war gut, sehr gut!“ lobte ich ihn.
    Er nickte mir herablassend und verzeihend zu und fragte dann Merhameh, indem er die ironische Pfiffigkeit seines Gesichtes deutlicher hervortreten ließ:
    „Und du? Bist auch du zufrieden?“
    „Ja“, versicherte sie.
    „Nein! Gewiß nicht!“ behauptete er.
    „Warum nicht?“
    „Weil du meinem Effendi heimlich mit den Augen zugezwinkert hast! Du dachtest, ich sehe es nicht; ich bemerkte es aber gar wohl. Darum habe ich genau wie Kara Ben Nemsi gesprochen, nicht aber wie Hadschi Halef, der im Reden berühmter ist als jeder andere Mensch. Du hast also nicht mich gehört, sondern ihn. Das ist meine Rache erstens für das hinterlistige Zwinkern und zweitens auch dafür, daß du mir vorhin ausgerissen bist, als ich alle Stein- und Pflanzen-, Tier- und Menschenreiche zu deinem Lob in Bewegung setzte. Du hörtest mich jetzt sprechen, aber nicht reden! Das hast du nun davon!“
    Vater und Tochter hatten mit außerordentlicher Spannung zugehört. Die Wirkung auf Abd El Fadl war eine ungewöhnliche. Er sagte nichts. Er stand von seinem Sitz auf und ging langsamen Schrittes dorthin, wo er vorhin mit Merhameh gestanden hatte. Sie bat:
    „Verzeih es ihm, daß er sich entfernt, ohne zu sprechen! Er ist tiefbewegt. Wir baten vorhin Gott, daß der, den wir

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