24 - Ardistan und Dschinnistan I
kurzen Oberkörper möglich war, und rief im Ton des Mißtrauens aus:
„Also ein Dschinnistani, ein Feind von uns? Und gibst dich für einen Ussul aus?“
„Wann hat er das getan?“ fragte ich. „Ihr habt noch kein einziges Wort miteinander gesprochen!“
Er antwortete streng:
„Weil du ein Ussul bist, mußte ich selbstverständlich auch ihn für einen halten! Ich bitte nun auch um deinen Namen!“
„Man nennt mich Kara Ben Nemsi.“
Kaum hatte ich das gesagt, so hielt er sein Pferd schnell an, griff auch dem meinigen in die Zügel und fragte, noch strenger werdend:
„Ben Nemsi? Bist etwa auch du kein Ussul?“
„Ich bin einer“, antwortete ich.
„Aber dein Name deutet auf eine ganz andere Herkunft! Wo bist du geboren?“
„In Dschermanistan.“
„Das zwischen Inglistan, Frankistan, Russistan und Österandscha liegt?“
„Ja.“
„So bist du doch nicht Ussul! Du hast mich belogen!“
In jedem andern Fall hätte ich dieses letztere Wort energisch zurückgewiesen; hier aber erklärte ich in aller Ruhe:
„Ich bin nicht als Ussul geboren und habe dich aber trotzdem nicht belogen. Ich bin Ussul geworden. Die Ussul wünschten es so.“
„Wer nicht als Ussul geboren ist, kann auch kein Ussul sein und niemals Ussul werden! Ich glaube euch also nicht. Die Ussul sind nicht so klein wie ihr und haben auch nicht solche Pferde. Übrigens kommt ihr nicht von den Ussul her, sondern ihr reitet nach ihrer Gegend hin. Das heißt, ihr kommt aus dem Land der Tschoban. Das ist im höchsten Grad verdächtig. Ihr seid entweder Tschoban oder Freunde und Verbündete von ihnen. Vielleicht ist der ältere Prinz doch daheimgeblieben, und ihr seid die Boten, die er seinem Vater nachsendet, um ihn über unser Bündnis mit den Ussul zu unterrichten!“
„Aber bedenke, daß ich doch wußte, daß euer oberster Minister und der Maha-Lama zu den Ussul geritten sind! Ich muß also Ussul sein!“
„O nein! Denn der Sohn des –“ er hielt mitten in der Rede inne und verbesserte sich, indem er fortfuhr: „Unser Spion bei den Tschoban hat gewußt, daß wir diese beiden schicken wollten. Er hat das dem Prinzen gleich auch mit gesagt, und von dem hast dann du es erfahren. Oh, ich durchschaue dich! Ich muß mich sicherstellen. Ich nehme euch gefangen. Hoffentlich leistest du keinen Widerstand, der dir schlecht bekommen würde! Ich bin der Tertib We Tabrik Kuwweti Harbie Fenninde Mahir Kimesne des Reiches Dschunubistan! Verstanden?“
„Das imponiert mir nicht“, antwortete ich.
„Aber wir sind acht Personen, und ihr seid nur zwei. Bedenke das!“
„Auch das würde mich nicht hindern, mich zu wehren, wenn ich mich überhaupt wehren wollte. Es wäre aber Unsinn, dies zu tun; denn wir reiten zu den Ussul, und ihr reitet zu den Ussul, und wenn wir hinkommen, wird sich sofort finden, wie die Sache steht. Ich habe also gar nicht nötig, Widerstand zu leisten.“
„Das meine ich auch. Du scheinst mir, deine Verdächtigkeit abgerechnet, ein anständiger und besonnener Mensch zu sein, den man nicht wie einen gemeinen Kerl zu behandeln braucht. Ich müßte dir eigentlich die Waffen abnehmen, will es aber nicht tun, wenn du mir versprichst, dich als unseren Gefangenen zu betrachten und keinen Versuch zu machen, uns zu entfliehen.“
„Ich verspreche beides.“
„Dein Gefährte auch?“
„Ja“, antwortete Fadl.
„Das genügt!“ entschied der Stratege. „Ihr werdet einsehen, daß ein Mann von meinem Range nicht mit Leuten verkehren kann, die seine Gefangenen sind; ich ziehe mich also zurück von Euch. Wir werden zwei Abteilungen bilden: vier von uns reiten vorn, vier hinten; ihr aber reitet in der Mitte. Also, rückt ein!“
Es geschah, wie er gesagt hatte: er setzte sich mit dem General, dem Oberst und dem Major an die Spitze; der Hauptmann, der Leutnant, der Unteroffizier und der Soldat schlossen sich hinten an, und wir, na wir, wir rückten eben ein! Dann setzte sich der Zug wieder in Bewegung. Jedermann war still, auch Abd El Fadl. Ich sah, indem ich neben ihm herritt, scheinbar ohne ihn zu beachten, daß er mich wiederholt und prüfend betrachtete. Endlich gab er seinen Gedanken Ausdruck, indem er in zurückgehaltenem Ton fragte:
„Willst du wirklich in dieser Weise weiterreiten? Als Gefangener, Effendi?“
„Ja“, antwortete ich.
„Was wird dein Halef dazu sagen! Wie er dich mir und meiner Tochter geschildert hat, habe ich ein ganz anderes Verhalten von dir erwartet.“
„So hat er mich eben
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