24 - Ardistan und Dschinnistan I
falsch geschildert.“
„Was würdest du aber tun, wenn du wirklich kein Ussul, sondern ein Freund der Tschoban wärst?“
„Ich würde den Mann mit dem unendlichen Titel auslachen und alle seine Chargen dazu. Hierzu habe ich aber doch, wie die Verhältnisse liegen, nicht den geringsten Grund. Ich würde uns, wenn ich jetzt so ganz unnötig widerstrebte, das Vergnügen verderben, welches uns daheim erwartet. Unter diesem ‚Daheim‘ verstehe ich natürlich deinen Engpaß, auf dem deine Wohnung liegt.“
„Das Vergnügen? Welches Vergnügen?“ fragte er.
„Das Wiedersehen unserer verschiedenen Gefangenen. Als Gefangene betrachte ich schon im voraus auch alle die, die wir noch nicht eigentlich festgenommen haben.“
„Auch diese acht Offiziere hier?“
Er meinte die acht vor und hinter uns reitenden Personen.
„Ja“, nickte ich. „Es wird sich doch wohl sehr interessant gestalten, wenn die beiden Prinzen der Tschoban ganz unerwartet aufeinandertreffen oder wenn unsere jetzigen Begleiter nebst dem Maha-Lama und dem obersten Minister einander eingestehen müssen, daß sie trotz all ihrer vermeintlichen Klugheit, Vornehmheit und Würde unendlich dumm gehandelt haben.“
„Und wenn du dann beide einander gegenüberstellst, die Tschoban und die Dschunub, die erst die Ussul und dann sich gegenseitig selbst überlisten und umbringen wollen und nun zu ihrer Beschämung einsehen müssen, wie sehr sie selbst überlistet worden sind!“ fiel Abd El Fadl mit schnellem Verständnis ein. „Ja, du hast Recht, Sihdi; es erwarten uns höchst interessante Szenen, die vielleicht schon heut beginnen können. Wir sind nämlich dem Engpaß schon sehr nahe. In einer Stunde haben wir ihn erreicht. Wer aber ist das, da draußen?“
Er deutete bei diesen Worten nach der Ebene vor uns hin, auf der ein dickes, vierfüßiges Tier erschien, auf dem irgend etwas saß. Es kam grad auf uns zugelaufen, und zwar im Zotteltrab. Je mehr es sich uns näherte, desto größer wurde es für uns und desto deutlicher sah man auch, wer es war, den es auf seinem Rücken trug. Man kann sich denken, wie verwundert ich war, als ich Smihk, den Dicken, erkannte! Der kleine Kerl, der auf ihm saß, war Halef. Abd El Fadl hatte Recht: die interessantesten Szenen begannen schon heut, schon jetzt.
Die beiden sonderbaren Wesen, die, das eine auf dem andern sitzend, so gar nicht zueinander paßten, erregten erst das Erstaunen und dann die Heiterkeit der Offiziere. Sie hielten an und begannen herzlich zu lachen. Ich nahm ihnen das nicht übel, denn wir lachten beide ja mit, Abd El Fadl sowohl wie auch ich selbst. Dieser Reiter auf diesem Pferd, oder dieses Pferd mit diesem Reiter, das sah allerdings schon an und für sich zu komisch aus, wurde aber noch drolliger dadurch gemacht, daß Halef, der Kleine, anhalten wollte, Smihk, der Dicke, aber nicht. Der Urgaul hatte den Kopf gesenkt, starrte nur immer grad vor sich hin und rannte in schnurgerader Linie weiter und immer weiter, ohne auf die Bitten und Drohungen, Stöße und Püffe seines Reiters zu achten. Dieser hielt zwar die Zügelriemen fest in den Händen, doch war es ihm unmöglich, mit ihrer Hilfe dem kolossalen Nacken des eigenwilligen Ungetüms eine andere Richtung zu geben. Hier konnte nur ich allein helfen. Ich ritt also einige Schritte aus dem Trupp der lachenden Dschunub heraus, sprang vom Pferd und stellte mich dem Durchbrenner mit ausgebreiteten Armen in den Weg. Da sah und erkannte mich der Hadschi.
„Hamdullillah!“ jubelte er auf. „Du, Sihdi, du? Rette mich, rette mich! Das Vieh ist übergeschnappt! Die Bestie ist verrückt geworden! Halte sie an, die Lokomotive – halte sie an!“
Jetzt war der Gaul mir nahe.
„Smihk, Smihk!“ rief ich ihm entgegen. „Smihk, Smiiihhhk!“
Er erkannte meine Stimme. Er hob den Kopf. Aber die Kraft der Beharrung wirkte derart auf seine Bewegungsnerven und infolgedessen auf seine ungeheure Fleisch-, Fett- und Knochenmasse, daß es ihm unmöglich war, sogleich stehenzubleiben. Ich mußte auf die Seite springen; er rannte vorüber. Aber indem er das tat, sah und erkannte er mich und stieß einen Schrei der Freude aus, der aber so entsetzlich klang, als ob ihm durch diesen meinen Anblick die ganze Seele entzweigerissen worden sei. Dann endlich gelang es ihm, zu stoppen. Er drehte sich nach mir um, blieb aber fest, wie angenagelt stehen, warf den Kopf hoch empor, riß das Maul sperrangelweit auf und vollführte dann ein Geschrei, ein Gebrüll, ein
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