Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
„Es ist ja kein Feind vorhanden, den ich fangen könnte!“
    „Das schadet nichts“, meinte er. „Denke einmal, ich sei einer! Dauert es lang?“
    „Nur wenige Augenblicke.“
    „Und tut es weh?“
    „Gar nicht.“
    „So fang an! Mach los! Was habe ich dabei zu tun?“
    „Setze dich auf dein Pferd, und versuche, mir auszureißen!“
    „Schön! Gut! Wohin soll ich fliehen?“
    Ich deutete in die Richtung zurück, aus der ich mit Halef gekommen war, denn die kannte ich. Es kam mir darauf an, den Scheik von hier zu entfernen, wo das Lager seiner Leute so verhältnismäßig nahe war. Ein Hilferuf von ihm, den sie hörten, konnte meinen ganzen Plan vereiteln. Und zu seiner Ausführung brauchte ich einen versteckt liegenden Baum, an den ich den Riesen binden konnte, ohne befürchten zu müssen, daß man ihn so bald entdecken werde.
    „Flieh dorthin zu“, antwortete ich, „und zwar so schnell du kannst!“
    „Willst du mich etwa einholen?“ erkundigte er sich mit breitem Lachen.
    „Ja.“
    „Und dann mich fangen? – Zu Pferd?“
    „Ja.“
    „Mit diesen deinen kleinen Hunden, die gar keine Pferde sind? Hörst du, ich lache dich aus! Aber versuche es! Die Schande, die du erlebst, ist dann nicht mein, sondern dein!“
    Er hatte keinen Steigbügel, sich bequem aufzuschwingen; so kletterte er mühsam auf den breiten First seines Urgauls. Dort angekommen, setzte er sich in der behaglichen Weise zurecht, wie man es sich nach Feierabend auf den Kissen eines alten, lieben Kanapees bequem zu machen pflegt, nickte dann zufrieden von oben herunter und forderte seinen Untertanen, der mit ihm jetzt davonjagen sollte, auf:
    „Jetzt fort von hier, Smihk! Aber schnell, sonst setzt es gewaltige Prügel!“
    Das liebe Tier schien diese Worte weder zu verstehen noch auf sich zu beziehen. Es tat gar nicht, als ob es irgendwen auf dem Rücken habe, oder als ob außer ihm und mir noch irgendein anderes Wesen vorhanden sei. Es richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf mich allein. Seine Blicke bewegten sich ausschließlich immer nur auf meiner Person herum, und zwar mit einem so entschiedenen Ausdrucke von Wohlwollen, daß seine Zuneigung zu mir, dem Fremden, gar nicht zu verkennen war. Anstatt den Willen seines Herrn zu tun, kam es wieder auf mich zu, rieb seine Schnauze an meinem Arm und streckte dann die lange, fette Zunge heraus, um mit ihr einen liebevollen Spaziergang über mein Gesicht zu machen. Da aber riß der Scheik den Kopf des Pferdes mit Hilfe des Zügelriemens von mir weg und rief drohend aus:
    „Was fällt dir ein? Wenn du nicht sofort galoppierst, werde ich mir Gehorsam verschaffen! Verstehst du mich?“
    Er bückte sich bei diesen Worten zu dem Kopf des Pferdes nieder, um ihm seine drohende Faust zu zeigen. Das Tier schien ihn dieses Mal verstanden zu haben, denn es versuchte, ihm einen strafenden Blick nach hintenüber zuzuwerfen, stieß ein höchst unwilliges, antediluvianisches Getöse aus, was ich jedenfalls als Wiehern hinzunehmen hatte, trat rasch ganz an mich heran und machte mir mit der Zunge so schnell, daß es nicht zu verhindern war, einen Querstrich über das Gesicht.
    „Er hat dich lieb; wahrhaftig, er hat dich lieb!“ wunderte sich der Scheik. „Wie es nur kommen mag, daß grad du ihm so gefällst?“
    Ich nahm diese Worte hin, ohne mich lange zu fragen, ob ich mich über sie freuen oder ärgern sollte. Doch schien das mit der Zunge auch mir eine Art von Liebeserklärung zu sein. Es fiel mir dabei ein kleines Ereignis aus meiner Jugendzeit ein, welches mir damals psychologisch hochinteressant gewesen war. Das geschah während meiner Schülerzeit. Ich ging während einer Ferienwanderung an einer langgestreckten Gebirgswiese hin, auf der das Gesinde des Besitzers ‚Heu machte‘, wie man das da oben auszudrücken pflegt. Die Leute verrichteten ihre Arbeit sehr ernst und fleißig, einen einzigen Knecht ausgenommen, der mit der vor ihm postierten Großmagd in einem fort schäkerte. Sie war ein großes, starkes, ungeschlachtes Frauenzimmer. Eben als ich vorübergehen wollte, umfaßte er ihre riesenhafte Taille, hielt sie fest und gab der Magd einen Kuß. Dann warf er mir, dem Zeugen seiner Heldentat, einen triumphierenden Blick zu, der aber nicht von langer Dauer war, denn die Magd holte aus und gab ihm eine so gut gesalzene Ohrfeige, daß er das Gleichgewicht verlor und, so lang er war, in das Heu zu liegen kam. Ein allgemeines Gelächter erscholl, und nun war es die Magd, die mir, dem Zeugen

Weitere Kostenlose Bücher