Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
zu Atem zu kommen. Als dies geschehen war, drehte er sich um, jedenfalls in der Absicht, nachzuschauen, wohin sein Herr so plötzlich verschwunden sei. Dieser aber lag so tief in den duftenden Schmetterlingsblüten, daß er gar nicht zu sehen war. Dafür sah der Gaul mich, der ich soeben aus dem Sattel sprang. Er kam augenblicklich auf mich zu, blieb vor mir stehen, warf den Kopf empor, riß das Maul auf und begann eine derartig welterschütternde Lamentation über die Zumutung, die an ihn gestellt worden war, daß höchstwahrscheinlich Steine erweicht worden wären, wenn sie dagelegen hätten. Leider durfte ich mir nicht die Zeit nehmen, die Triller und Läufer dieser noch etwas ungeschulten Stimme zu genießen, denn der Scheik stand nicht wieder auf. Er lag vollständig bewegungslos an der Stelle, auf die er gefallen war. Ich ging hin und kniete bei ihm nieder. Er befand sich in tiefer Ohnmacht. Jedenfalls war er mit dem Kopf auf die Erde geprallt, und zwar so stark, daß er die Besinnung verloren hatte.
    Ihm war diese Ohnmacht zu glauben. Bei einem Indianer hätte ich sie zunächst für Verstellung gehalten, in der Absicht, mich zu überlisten. Der Scheik der Ussul aber besaß wohl keine Veranlagung zu einer solchen Komödie. Seine Ohnmacht war jedenfalls echt, obwohl ich seinen Puls ziemlich deutlich schlagen fühlte. Und mir war sie hochwillkommen, denn durch sie wurde es mir möglich, ihn so vollständig und mühelos unschädlich zu machen, wie es mir nicht möglich gewesen wäre, wenn er die Besinnung behalten hätte. Da kam mir denn der Pack Riemen gelegen, den er, wie bereits erwähnt, an seinem Gürtel hängen hatte. Ich machte ihn von meinem Lasso los, band ihm mit Hilfe dieser Riemen die Beine eng zusammen und die Arme fest an den Leib und schnitt aus dem nächsten Buschwerk einige Stangen, an die ich ihn lang ausgestreckt fesselte, um seinen eigenen Körper als Tragbahre zu benutzen, die ich meinen beiden Pferden aufladen wollte. Eben als ich die letzten Knoten schlang und er mir nun vollständig sicher war, kam er wieder zu sich. Er öffnete die Augen, die er zunächst ganz ausdruckslos auf mich richtete. Bald aber kehrte ihm auch das Gedächtnis zurück. Er erkannte mich, er besann sich. Seine erste Frage war:
    „Wo ist Smihk? Ich sehe ihn nicht!“ Doch ohne auf meine Antwort zu warten, fügte er sogleich hinzu: „Du hast mich also doch eingeholt! Unglaublich!“
    „Und dich sogar gefangengenommen!“ fügte ich hinzu.
    Erst durch diese meine Worte wurde er darauf aufmerksam, daß er sich nicht bewegen konnte. Er versuchte zwar, die Glieder zu rühren, doch ohne Erfolg. Da rief er aus:
    „Richtig! Ich bin sogar auch gefangen!“
    „Wer hat also die Schande? Etwa ich?“
    „Nein, du nicht, sondern ich!“ antwortete er, indem er einen grimmigen Blick an sich herniedergleiten ließ. „Das werde ich bestrafen!“
    „An wem?“ erkundigte ich mich.
    „An Smihk! Das kannst du dir doch denken! Oder meinst du etwa, ich sei schuld daran? Er ist eine faule Bestie! Ich schlage ihn tot! Wo ist er denn? Ich sehe ihn noch immer nicht!“
    „Da steht er, gleich hinter dir. Wenn er deine Worte verstehen könnte, würde er dich auslachen.“
    „Auslachen? Warum?“
    „Weil du, der berühmte, tapfere Scheik der Ussul, nicht Mut genug besitzt, einen kleinen Fehler, den du gemacht hast, einzugestehen, sondern ihn auf ein unschuldiges Wesen wirfst, welches sich nicht dagegen wehren kann. Das ist eine Feigheit. Ja das ist noch mehr als Feigheit; das ist Lüge, und du hast doch behauptet, daß die Ussul die Lüge hassen und verachten!“
    „Ja, das tun wir; ja, die hassen wir! Der Lügner ist ein Feigling! Aber ich kann doch nicht einsehen, daß ich unwahr gesprochen habe. Wäre Smihk schneller gelaufen, so hättest du mich nicht einholen und vom Pferd werfen können. Sogar gebunden und gefesselt hast du mich! Wer ist also schuld daran? Nicht ich, sondern er!“
    „Nein! Nicht er, sondern du! Du kanntest meine Pferde nicht, die mit dem Wind um die Wette laufen. Und du kanntest auch mich nicht, der ich weder Lust noch Veranlassung habe, mich wegen deiner Körpergröße vor dir zu fürchten! Es war eine unbegreifliche Unvorsichtigkeit von dir, mich und meine Pferde gegen dich und deinen dicken Gaul herauszufordern. Wenn du Verstand hast, so siehst du das ein!“
    „Hm!“ brummte er nachdenklich. „Da hätte ich also diesen Smihk um Verzeihung zu bitten? Gut, ich tue es! Ich lüge nicht! Und ich habe

Weitere Kostenlose Bücher