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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihrer Heldentat, einen triumphierenden Blick zuwarf. Ich kleines, gern auch einmal lustiges Männchen blieb stehen und lachte mit. Als er das sah, sprang er zornig auf und rief mir zu: „Was hast denn du zu lachen, du Knirps, du nichtsnutziger, du? Daß sie mir die Maulschelle 'geben hat, is doch der Beweis, daß sie mich gernhat! Wannst es net glaubst, so geh her und frag sie doch gleich selber!“ Sie aber wartete es gar nicht ab, ob ich es tun werde, sondern sie stemmte die Arme in die Hüften, nickte mir sehr überlegen zu und belehrte mich: „Is richtig, alles richtig! Er is der Meinige. Einen andern hau ich net!“ Meine damalige Menschenkenntnis reichte noch lange nicht an das Verständnis dieser eigenartigen Logik heran. Darum machte ich mich schleunigst auf den Weg, um im stillen darüber nachzudenken, welche Gründe man haben kann, nur immer ‚den Meinigen‘ zu hauen, aber keinen anderen. Daß dieses scheinbare psychologische Rätsel etwas psychologisch sehr leicht Begreifbares ist, das sah ich erst nach Jahren ein. Und jetzt, wo der Scheik sich über die Zuneigung seines Urpferdes wunderte, kehrte mir die Erinnerung an jenen Feiertag zurück. Sollte das Urpferd den Ohrfeigen, die ich ihm gegeben hatte, dieselbe Bedeutung beigelegt haben? Sollte es mich für ‚den Seinigen‘ halten? Der Scheik trieb es von neuem an, zu laufen. Es blieb stehen und äugelt mit mir. Er stieß ihm die Fersen in die Weichen. Es blieb stehen und äugelte mit mir. Er schlug es mit der Faust auf den Schädel, daß ich glaubte, es müsse ein tiefes Loch entstehen. Es rührte sich nicht von der Stelle und äugelte mit mir. Da begann er, es mit dem schweren Spieß zu bearbeiten. Als auch das nichts half, rief er mir zornig zu:
    „Siehst du denn nicht, daß es nicht will? Treib es doch an! Gib ihm eins hintendrauf!“
    „Ich soll es antreiben, ich?“ fragte ich. „Bin denn ich der Reiter?“
    „Nein. Aber es scheint seinen Narren an dir gefressen zu haben. Es will nicht von dir fort. Da bist du doch verpflichtet, es von dir fortzujagen. Es ist doch nicht dein, sondern mein!“
    Ich hatte Mühe, das Lachen zu unterdrücken und antwortete:
    „Ist das vielleicht die Schande, die du mir vorausgesagt hast? Was soll das für ein Wettrennen werden, wenn dein Pferd überhaupt nicht von der Stelle will! Hast du es denn nicht in der Gewalt?“
    „Natürlich habe ich es! Und wie! Wenn es vorwärts soll, drücke ich ihm meine Schenkel an den Leib –“
    „Da geht es vorwärts?“ fragte ich.
    „Ja. Wenn es nach rechts soll, ziehe ich an der rechten Leine –“
    „Da geht es nach rechts?“
    „Ja. Wenn es nach links soll, ziehe ich an der linken Leine –“
    „Da geht es nach links?“
    „Ja. Wenn es stehenbleiben soll, ziehe ich an der rechten und an der linken Leine zugleich –“
    „Da bleibt es stehen?“
    „Ja.“
    „Das glaube ich nicht. Beweise es mir! Du treibst es ja an; es geht aber nicht!“
    „Weil ich die Einleitung vergessen habe. Ich wollte nicht wieder herabsteigen, um es nachzuholen. Darum bat ich dich um deine Hilfe. Aber, um dir zu beweisen, daß es gehorcht, muß ich dennoch wieder hinunter. Paß auf!“
    Er arbeitete sich schwerfällig vom Pferd zur Erde nieder, drehte seinen Spieß um, hob ihn hoch empor und schrie dem Gaul zu:
    „Ich weiß, was du willst! Du willst erst Prügel haben! Ich muß dir jedesmal, ehe ich aufsteige, zeigen, daß ich der Herr bin, nicht aber du; sonst glaubst du es nicht. Da hast du die Hiebe – da – da – da – da – und da!“
    Er schlug mit aller Gewalt auf das Tier ein, daß es nur so klatsche und puffte. Das Pferd senkte den Kopf, steckte ihn, damit er nicht getroffen werde, so weit wie möglich zwischen die Vorderbeine und nahm im übrigen die Hiebe wie etwas Alltägliches und Vertrautes hin, das einem gewohnt und liebgeworden ist. Als es sein Deputat aufgezählt bekommen hatte, turnte sich der Scheik wieder auf seinen Sitz hinauf und sagte:
    „Nun paß auf, wie es laufen wird. Wenn es durchbrennen soll, muß ich vorher Feuer machen. Dann läuft es, und wie! Keine Möglichkeit, mich einzuholen! Komm!“
    Sobald er oben war, zog der Gaul seinen Kopf zwischen den Vorderbeinen hervor, warf ihn hoch empor, ließ herausfordernd seine unbeschreibliche Stimme erschallen und schoß dann vorwärts, aus Leibeskräften und in einer Art und Weise, als ob er sich vorgenommen habe, mit dem Kopf durch alle Mauern von Ardistan zu rennen. „Komm! Hol mich ein!“

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