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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Der gewöhnliche Orientale hat für solche Dinge weder Verständnis noch Abhilfe. Sieht man doch z.B. in Ägypten überall Mütter mit kleinen Kindern auf dem Arm, deren kranke Augen vollständig mit saugenden Fliegen bedeckt sind, ohne daß es einer solchen Mutter einfällt, diese quälenden Insekten zu entfernen. Daher die vielen blinden Menschen dort! Mich dauerte Smihk, der Dicke. Ich hob ein Hölzchen von der Erde auf und entfernte damit die Insekten, die an einigen Stellen förmliche Trauben bildeten. Das war dem Tiere noch nie passiert. Es stand still, bis ich fertig war, stöhnte dann vor Erlösung und Dankbarkeit tief auf und versuchte, mir mit Hilfe aller möglichen Zärtlichkeiten zu zeigen, daß ich hierdurch sein ganzes Herz gewonnen habe. Ich leistete dem Dicken auch später diesen Dienst, so oft es nötig war, und er hat mir diese Aufmerksamkeit durch eine Liebe vergolten, die ich fast als Zärtlichkeit bezeichnen möchte.
    Es war eine geradezu kindliche Naivität, mit welcher der Scheik alle Gegenstände, die ich bei mir hatte, betrachtete und sie sofort in Gedanken und Worten derart registrierte, als ob sie nun ganz zweifellos schon in seinen Besitz übergegangen seien. Meine Uhr gefiel ihm so, daß er sie mir gleich gar nicht wiedergab, sondern sie einfach zu sich steckte. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß sie in meine, nicht aber in sein Tasche gehöre. Da sah er mich fast ohne Verständnis an, schüttelte den Kopf und sagte:
    „Ich begreife dich nicht! Ich habe dir doch gesagt, daß all diese Gegenstände mir gehören, und du hast dich damit vollständig einverstanden erklärt!“
    „Du irrst!“ widersprach ich ihm.
    „Ich irre nicht!“ behauptete er. „Ich will zu deiner Ehre annehmen, daß du ein schlechtes Gedächtnis besitzest. Wenn ich das nicht täte, müßte ich dich für einen Lügner halten, und du gibst doch wohl zu, daß dies das Allerschlimmste ist, was einem Menschen geschehen kann! Oder hast du etwa auch nicht zugegeben, daß jeder Mann mir gehört, der dieses mein Land betritt?“
    „Nein, das habe ich allerdings nicht zugegeben.“
    „Du hast aber doch ‚Ja‘ gesagt!“
    „Aber hierzu nicht! Du fragtest mich, ob ich verstanden habe, was du sagtest, hierauf sagte ich ‚Ja‘. Und darauf sagtest du, wenn der Mann dein Eigentum ist, verstehe es sich ja ganz von selbst, daß dir auch alles gehöre, was er besitzt. Da habe ich allerdings zugestimmt. Aber bezieht sich denn das auf mich? Und wie willst du mir beweisen, daß ich dir gehöre, daß ich dein Diener, Knecht oder Sklave bin?“
    „Ich habe es dir gesagt; das ist der Beweis. Eines andern bedarf es nicht!“
    „Da irrst du eben!“
    „Ich irre nie!“ behauptete er. „Ich bin der oberste Scheik der Ussul, und was in meinem Stamm Recht und Sitte ist, das führe ich aus. Es ist Recht und Sitte, daß du mein Eigentum geworden bist; dabei bleibt es!“
    Er sprach jetzt in sehr bestimmtem Ton.
    „Und wenn ich nicht will? Wenn ich mich dagegen wehre?“ fragte ich.
    Er sah mich von oben herunter an, lachte belustigt auf und antwortete:
    „Du dich wehren? Du Knirps! Schau nur hier meine Hände an! Sag noch ein Wort dagegen, so drücke ich dir mit diesen Fäusten den dummen Kopf zusammen, daß er mir als Brei hier in den Fingern klebt!“
    Bei diesen Worten hielt er mir seine Gigantenhände drohend vor das Gesicht.
    „Es würde dir keinen Segen bringen“, warnte ich ihn. „Ich bin nämlich nicht allein!“
    „Nicht allein?“ fragte er, indem er rund um sich schaute. „Ich sehe niemand!“
    „Aber du siehst doch zwei Pferde! Hast du wirklich noch nicht daran gedacht, daß einer der beiden Reiter fehlt?“
    „Er fehlt? So? Warum? Wo befindet er sich?“
    Das war mehr als kindlich naiv! Er verstellte sich nicht; es war keine Finesse, keine Kriegslist von ihm. Er dachte wirklich genauso, wie er sagte. Er suchte mit den Augen nach dem Verschwundenen. Ich aber meinte es weniger ehrlich. Ich beabsichtigte, ihn auszuforschen, und richtete meine Antwort daraufhin ein, obgleich sie keine Lüge, sondern die volle Wahrheit enthielt:
    „Wo er sich jetzt befindet, weiß ich leider nicht. Er bemerkte die Spuren hier im Gras und wollte sehen, von wem sie seien. Darum ging er hinter ihnen her und ist noch nicht wieder zurückgekommen.“
    „Ging er hier geradeaus und dann links um die Ecke des Gebüsches?“
    „Ja.“
    „So kommt er überhaupt nicht wieder.“
    „Warum?“
    „Er ist unser Gefangener.“
    „Du meinst,

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