24 Stunden
weiß nicht«, sagte Abby. »Er ruft mich nicht mehr.«
Karen erschauderte. »Sei ganz leise, Kleines.« Karen legte wieder die Hand über den Hörer. »Sie hat das Insulin nicht mitgenommen. Aber sie könnte sich sowieso nicht selbst die Spritze geben, selbst wenn sie es hätte.«
»Ich glaube schon, dass sie es könnte, wenn sie müsste. Ich weiß nur nicht, ob sie rechtzeitig merken würde, dass ihr Zustand kritisch ist.«
»Sie ist erst fünf Jahre alt, Will. Haben wir eine andere Möglichkeit?«
»Abby geht zurück in die Hütte, und wir vertrauen Hickey, dass wir sie zurückbekommen, sobald er das Geld hat.«
Karen warf Hickey über das Bett hinweg einen Blick zu. Sie sah seine funkelnden Augen, seine Tätowierung aus dem Gefängnis und sein blutendes Bein. »Nein. Wir müssen versuchen, sie jetzt zu retten.«
»Gib mir deinen Mann noch mal«, sagte Hickey.
Karen warf das Telefon aufs Bett.
»Doktor? Ich will Ihnen mal schnell eine Geschichte erzählen. Ich und Huey sind Cousins. Wir sind in verschiedenen Staaten aufgewachsen, aber unsere Mütter waren Schwestern. Sie haben beide richtige Scheißkerle geheiratet, nur dass Hueys Vater ein Schwein war, weil er seine Familie im Stich gelassen hat, und meiner, weil er mir ständig den Arsch versohlt hat.
Nachdem Hueys kleine Schwester gestorben war, müsste er mit uns nach Mississippi ziehen. Er hatte danach ziemliche Schwierigkeiten, mit kleinen Mädchen zu sprechen. Ein paar Mal hat er Eltern von Kindern verprügelt. Mein Alter konnte ganz okay sein, wenn er nicht besoffen war, aber das kam nicht oft vor. Er war nett zu Huey, aber wenn er voll war, hat er ihn ständig runtergeputzt. Mich hat er dann einfach so zum Spaß vermöbelt.«
Karen wollte hören, was Will antwortete, doch möglicherweise verlor Abby die Nerven, wenn sie sie wieder wegschaltete. Sie hoffte, dass Will noch immer versuchte, den Präsidenten von CellStar zu erreichen.
»Und eines Tages ist der Alte mit uns zur Jagd gegangen«, fuhr Hickey fort. »Huey kriegte natürlich kein Gewehr in die Finger, aber wir nahmen ihn immer mit. Keiner konnte das tote Rotwild besser als er aus dem Wald schleppen. Auf jeden Fall bin ich dann durch diesen Stacheldrahtzaun geklettert, und mein Gewehr ging los. Mein Alter war besoffen und fing an zu brüllen, dass die Kugel genau an seiner Wange vorbeigesaust wäre. Er legte seine Knarre hin und schlug da im Wald wie ein Irrer auf mich ein. Ich muss so dreizehn gewesen sein. Huey war zwölf, aber schon ein richtiger Riese.
Mein Alter schlug also auf mich ein, bis er nicht mehr konnte. Er machte eine kleine Pause, um neue Kräfte zu sammeln. Ich versuchte, mein Gewehr vom Boden aufzuheben, doch mein Alter trat sofort darauf. Dann trank er einen Schluck aus seiner Flasche und prügelte wieder auf mich ein. Huey hatte diesen seltsamen Blick in den Augen. Er stellte sich ganz langsam hinter meinen Alten, schlang die Arme von hinten um seinen Körper, als würde er einen Baum umarmen, und hielt ihn einfach nur fest. Mein Alter wurde fast wahnsinnig. Er trat um sich und schrie, dass er uns beide umbringen würde, sobald Huey ihn losgelassen hätte. Ich hob mein Gewehr von der Erde auf und richtete es auf ihn. Natürlich wusste ich, dass er mich windelweich schlagen würde, sobald Huey ihn losließ. Leider konnte ich ihn nicht erschießen, weil Huey hinter ihm stand. Ich hätte ihm höchstens eine Kugel in den Kopf jagen können, aber das wäre nicht besonders clever gewesen.«
Karen vergewisserte sich noch einmal, dass Abby nichts hören konnte.
»Huey hatte diesen ängstlichen Blick und sagte: >Ich will nur, dass er dich nicht mehr schlägt, Joey. Ich will ihm nicht wehtun.< Dann hab ich gesagt: >Der hört nie auf. Erst wenn er tot ist. Du bringst ihn um, Kürbiskopf, und dann sind wir ihn los. Wir sind Blutsbrüder, Junge, und du hörst auf das, was ich dir sage.< Huey dachte eine Minute nach. Dann hob er den Alten hoch, schleppte ihn zu einem großen Stein, lehnte ihn dort an und schlug seinen Kopf so lange dagegen, bis er sich nicht mehr rührte. Ich hab ihm gesagt, er soll die Leiche oben auf die Felsspitze tragen und sie in die Schlucht werfen. Hat er dann auch gemacht. Sah aus, als wäre er abgestürzt.«
Karen schloss die Augen und betete um Abbys Leben.
»Huey wollte das nicht tun, Doktor, aber er hat es getan. Er will auch Ihrem kleinen Mädchen nicht wehtun, aber wenn ich es ihm befehle, wird er es tun, weil er sich ein Leben ohne seinen Cousin
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