24 Stunden
Haben Sie Ihre Meinung geändert? Doch 'ne Entspannungsmassage gefällig?«
»Vielleicht.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Vielleicht habe ich meine Meinung auch geändert. Sie haben vorhin gemeine Sachen gesagt.«
Gemeine Sachen. Diese Frau hatte mitgeholfen, seine Tochter zu kidnappen, und jetzt faselte sie was von Gemeinheiten!
Will betrat das Schlafzimmer und blickte auf die Waffe. Er folgte seiner inneren Stimme und ging ins geräumige Wohnzimmer. Sein Blick fiel auf das Notebook auf dem Schreibtisch. Vor acht Stunden hatte er Video-Clips gezeigt, die auf der Festplatte dieses Computers gespeichert waren. Er war stolz und selbstzufrieden gewesen und hatte von Aktienanteilen geträumt und der Gewinnbeteiligung an dem Medikament, an dessen Entwicklung er so hart gearbeitet hatte. Welch eine Ironie des Schicksals! Was hätte er von dem Geld, wenn Abby in einem Sarg unter der Erde lag?
Wie viel Zeit hatte er fern von zu Hause verbracht, weil er an den Versuchen für Restorase gearbeitet hatte? Wie viele Stunden hatte er damit verschwendet, über den verdammten Namen nachzudenken und mit der Marketingabteilung des Pharmakonzerns darüber zu streiten? Restorase, Neurovert, Synapticin...
Sein Gedankenflug fand ein jähes Ende, denn seine Augen wanderten von seiner Notebooktasche zu dem Koffer, in dem die Medikamente lagen. Unter anderem vier Fläschchen des Prototyps. Viel wichtiger war jedoch, dass er zwei Fläschchen Anectine bei sich hatte. All dies gehörte zu der Ausstattung des Standes, den er für den Konzern Searle betreuen sollte. Den Ärzten war Anectine bekannt, denn das war der Handelsname für Succinylcholin, und um dieses depolarisierende Relaxans zu neutralisieren, hatte Will Restorase entwickelt. Er hatte auch ein Päckchen Spritzen: zwei konventionelle Spritzen und zwei spezielle Kontaktspritzen, die die Techniker bei Searle eigens für seine Zwecke entwickelt hatten. Diese Spritzen gaben innerhalb einer halben Sekunde Hautkontakt eine therapeutische Dosis Anectine frei.
»Succinylcholin«, murmelte Will, wobei ihn ein seltsames Frösteln überkam. Mit dem Frösteln wurden Bilder der Klinikversuche der letzten Jahre lebendig, Bilder, die einen Laien in Angst und Schrecken versetzen würden.
»Was machen Sie denn da?«, rief Cheryl aus dem Schlafzimmer.
»Ich denke nach.«
»Strengen Sie Ihr Gehirn nicht zu sehr an.«
Will öffnete die Tasche mit den Medikamenten und überzeugte sich davon, dass alles, was in der Tasche sein sollte, auch darin war. Er schloss die Augen, konzentrierte sich auf seine Tochter und sah ihr lächelndes Gesicht und ihren robusten kleinen Körper im Geiste vor sich. Er dachte an ihren starken Willen, der ausgeprägter war als bei anderen Kindern ihres Alters, weil sie ständig gegen ihren Jugenddiabetes ankämpfen musste. Sie lebte immer am Rande einer Katastrophe und hielt sich dennoch für viel glücklicher als die meisten anderen Kinder. Will war unendlich stolz auf sie.
Abby war die nährende Flamme, die in seiner Seele brannte.
Und die Frau nebenan hatte ihr Leben in Gefahr gebracht. Sie hatte sie in ein dunkles Loch des Schreckens gestoßen. Welche Nachteile das Schicksal Cheryl auch aufgebürdet hatte, sie hatte Hickey - wie sie selbst zugegeben hatte - aus freien Stücken geholfen, und das nicht nur einmal, sondern sechsmal. Sechs Kinder hatten durch die Hölle gehen müssen. Sechs Mütter und sechs Väter. Was immer sie jetzt erleiden musste, sie hatte es nicht anders verdient.
Will ging zurück ins Schlafzimmer, als wäre alles in bester Ordnung. Anstatt jedoch vor dem Stuhl stehen zu bleiben, ging er weiter bis zum Bett und schaute Cheryl mit einem lüsternen Blick an, den er Karen mitunter zuwarf, wenn er Lust auf Sex hatte.
Sie schaute ihn neugierig an. »Was ist?«
»Ich möchte Sie küssen.«
Sie errötete. »Was wollen Sie?«
»Ich möchte Sie küssen.«
»Das mache ich nicht«, sagte sie verwirrt. »Das ist mir zu vertraulich.«
»Aber ich möchte es.«
Sie biss sich auf die Lippe. »Keine Küsse«, sagte sie. Dann öffnete sie die obersten vier Knöpfe des Hemdes und schob ein Körbchen ihres BHs nach unten. »Sie können mich hier küssen.«
Er lächelte und beugte sich über ihre Brust. »Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?«, fragte sie leise. Als seine Wange ihre Haut berührte, legte er eine Hand neben ihren Oberschenkel, als wollte er sich auf dem Bett abstützen. Im nächsten Augenblick umklammerte er den Griff der Walther. Er
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