Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
24 Stunden

24 Stunden

Titel: 24 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
die Matratze. Mühelos schob er die Stuhlbeine bis zur Mitte des Bettes. Cheryls Füße zeigten in die Luft, als würden sie in Steigbügeln stecken.
    »Wenn Sie bei meinem Vortrag aufgepasst haben, wissen Sie jetzt etwas über paralysierende Muskelrelaxanzien.«
    Cheryl sah ihn verwirrt an. Natürlich hatte sie den Vortrag nicht verfolgt. Sie hatte versucht, ihn mit ihren Blicken zu verführen, und die ganze Zeit an den Moment gedacht, in dem sie die Waffe oben im Hotel ziehen würde. Will vermutete allerdings etwas anderes. Ihr ursprünglicher Plan war es sicher gewesen, ihn dazu zu bringen, sie mit in seine Suite zu nehmen, um mit ihr zu schlafen.
    Will nahm ein Fläschchen Anectine und eine konventionelle Spritze aus seiner Tasche. Cheryl starrte auf die Spritze, als er die Kappe abnahm, die Nadel durch den Gummiverschluss des Fläschchens stieß und 60 Milligramm Anectine in die Spritze zog. Viele Menschen hatten eine irrationale Angst vor Nadeln. Will hatte als Anästhesist ständig damit zu tun.
    »Das ist Succinylcholin«, sagte er in ruhigem Ton. »Kurz nach der Injektion werden Ihre Skelettmuskeln aufhören zu funktionieren. Dank der Skelettmuskeln sind Sie fähig, Ihre Knochen zu bewegen. Ihr Zwerchfell besteht auch aus Skelettmuskeln. Während Sie nun also normal sehen, hören und denken können, können Sie mit der Injektion nicht mehr atmen und sich nicht mehr bewegen.«
    Cheryl riss die Augen so weit auf, dass fast nur noch das Weiße zu sehen war.
    »Sie müssen das nicht durchstehen«, sagte er ruhig. »Wenn Sie mir sagen, wo Abby ist, lege ich diese Spritze wieder in die Tasche.«
    Sie nickte verzweifelt.
    Will beugte sich über sie und zog die Socken aus ihrem Mund. Cheryl schnappte nach Luft und sagte: »Ich schwöre bei Gott, dass ich es nicht weiß! Bitte pieksen Sie mich nicht damit.«
    Will nahm die Fernbedienung in die Hand und stellte den Ton lauter. QVC pries gerade »eine begrenzte Auflage« Porzellanteller an (nur 150 Brenntage!), auf denen Bilder von Ronald und Nancy Reagan abgebildet waren. Als er Cheryl wieder die Socken in den Mund stopfte, versuchte sie, in seine Hand zu beißen. Er kletterte aufs Bett, setzte sich auf ihren Oberkörper und lehnte sich gegen ihre Oberschenkel wie gegen eine Stuhllehne.
    »Sie können schreien«, sagte er. »Doch Ihr Schrei wird keine fünf Sekunden, nachdem ich Ihnen die Spritze gegeben habe, verstummen. Hören Sie mir zu, Cheryl. Ich habe zum ersten Mal gesehen, wie dieses Medikament eingesetzt wurde, als ich Assistenzarzt war. Ein Notarzt hat es benutzt, um einen Cracksüchtigen ruhig zu stellen, der einen Bullen in der Notaufnahme niedergestochen hatte. Es war schrecklich.
    Ich habe gesehen, wie sich Mörder durch dieses Zeug in wimmernde Babys verwandelt haben. Sie lagen bewegungsunfähig da, haben sich in die Hosen geschissen und sind blau angelaufen. Dann mussten sie beatmet werden, doch sie wussten die ganze Zeit, dass ihr Gehirn ausgeht wie eine billige Glühbirne, sobald die Beatmung eingestellt wird. Es muss ein Gefühl sein, als ob man lebendig begraben wäre.«
    Cheryl kämpfte wie wild gegen die Fesseln an und schaukelte Will und den Stuhl hin und her, um sich zu befreien. Als er die Spitze der Nadel in die äußere Jugularvene stieß, hörte sie sofort auf.
    »Sie haben die Wahl. Entweder Sie helfen mir, meine kleine Tochter zu retten, oder Sie erfahren, wie es ist, tot zu sein.«
    Cheryl schloss die Augen und riss sie sofort wieder auf. Tränen rannen aus ihren Augen. »Ich weiß es nicht«, schrie sie mit erstickter Stimme durch die Socke. »Ich schwöre!«
    »Sie wissen etwas.«
    Sie schüttelte heftig den Kopf.
    Will drückte auf den Kolben der Spritze.
    »Hilfe!«, schrie Cheryl. »Eines Tages...«
    Der Schrei erstarb in ihrer Kehle. Ihre Augenlider flatterten, und ihre Gesichtsmuskeln zitterten, ohne dass sie diese Zuckungen kontrollieren konnte. Ihre Arme hoben sich wie von Geisterhand und legten sich auf ihre Brust. Als die Signale, die ihre Muskelfasern erreichten, nur noch einem chaotischen Sturm fehlgezündeter Elektrochemie glichen, erstarrte ihr Körper. Der Geruch von Kot stieg Will in die Nase. Das war eine Nebenwirkung von Anectine. Will war all das vertraut, wenn der Umstand auch fremd war. Er hatte das schon bei Mäusen, Schweinen, Rhesusaffen und Menschen beobachtet, aber immer in einem kontrollierten Umfeld. In Cheryls aufgerissenen, erstarrten Augen spiegelte sich unendliches Entsetzen.
    Will zog ihr die Socken aus

Weitere Kostenlose Bücher