24 Stunden
seine Taktik, indem er Fragen über Huey statt über Hickey stellte, doch plötzlich bewegte sich etwas an seiner Taille. Er sprang vom Stuhl, weil er glaubte, es sei eine Küchenschabe, doch als er hinunterschaute, sah er, dass es sein neues SkyTel war. Der Pager stand noch auf dem Vibrationsmodus, den er gestern Abend beim Vortrag eingestellt hatte.
»Was ist denn los?«, fragte Cheryl.
»Mir ist irgendetwas übers Bein gekrabbelt.« Er schaute gründlich unter dem Stuhlkissen nach. »Irgend so eine blöde Schabe oder so was.«
Sie lachte. »Das würde mich nicht wundern. He, in dem Prospekt steht, dass der Swimmingpool um acht Uhr schließt. Ziemlich mies, oder?«
»Man soll hier nicht schwimmen, sondern sein Geld im Kasino verspielen.«
»Ja.« Sie schaute ihn mit strahlenden Augen an. »Spielen Sie gerne?«
Will konnte es kaum abwarten, den Pager zu überprüfen. Er hatte keine Rufbereitschaft, und daher musste die Nachricht von Karen sein. Die einzigen anderen Personen, die seinen Anrufservice hätten überreden können, ihm um diese Uhrzeit eine Nachricht zu schicken, waren seine Kollegen, und die waren größtenteils hier auf der Tagung. »Eigentlich nicht«, sagte er. Er hatte ihre Frage schon fast vergessen. »Das Leben ist auch so schon unsicher genug.«
»Spielverderber.«
»Haben Sie was dagegen, wenn ich mal ins Bad gehe?«
Cheryl zuckte mit den Schultern und schaute wieder auf den Home-Shopping-Sender, der gerade Peterboro-Schläger anbot. »He, wenn Sie...«
Will ging in das mit Whirlpool ausgestattete Badezimmer, schloss die Tür und riss sofort den Pager von seinem Gürtel. Nachdem er auf die Empfangstaste gedrückt hatte, rollte das grün leuchtende Schriftband übers Display, Du musst vor morgen früh etwas tun. Abby wird auf jeden Fall sterben. Karen. Bestätigung per E-Mail.
Er las sich die Nachricht noch einmal durch und schaute schockiert auf die Worte. Abby wird auf jeden Fall sterben. Was hatte das zu bedeuten? Hatte Abby eine Diabeteskrise? Karen hatte ihr am frühen Abend acht Einheiten Insulin gespritzt, und die müssten bis morgen reichen. Hatte Karen etwas Neues über Hickeys Plan erfahren?
Du musst vor morgen früh etwas tun. Was zum Teufel konnte er tun, ohne Abbys Leben zu gefährden? Die Antwort auf diese Frage war in der Nachricht enthalten. Abby wird auf jeden Fall sterben. Karen hatte etwas erfahren. Und die Nachricht war eindeutig. Er musste Abbys Leben gefährden, um ihr Leben zu retten.
Er schaute sich im Badezimmer nach einem Gegenstand um, der ihm helfen könnte. Die einzig mögliche Waffe, die er entdeckte, war ein Dampfbügeleisen. Als er das Ding genauer betrachtete, hörte er das Telefon in der Suite klingeln. Er schaute auf die Uhr. Vier Uhr. Hickeys turnusmäßiger Kontrollanruf. Cheryls gedämpfte Stimme drang durch die Badezimmertür. Sie sprach nur ein paar Worte, und dann war nur noch das Brummen des Fernsehers zu hören. Will drehte das heiße Wasser auf und wartete, bis Dampf aufstieg.
Er hielt einen sauberen Waschlappen unters Wasser und presste ihn auf sein Gesicht. Als ihm das Blut in die Wangen stieg, geschah etwas Seltsames. Plötzlich konnte er wieder klar denken. Der Nebel, der ihn in den letzten Stunden eingehüllt und sein Denkvermögen beeinträchtigt hatte, lichtete sich. Plötzlich sah er glasklar drei verschiedene Schauplätze vor sich: Abby wurde im Wald gefangen gehalten. Karen war in ihrem Haus in Annandale eingesperrt, und er selbst stand in diesem Badezimmer auf dem Marmorboden. Er sah diese drei Bühnenbilder wie ein Theaterbesucher in der ersten Reihe vor sich.
Gleichzeitig sah er jedoch auch die Verbindung zwischen diesen drei Szenen, als würde er von oben auf die Schauplätze schauen. Sichtbare und unsichtbare Fäden verbanden sechs Personen in Zeit und Raum, ein Mobile mit sechs beweglichen Teilen. Und im Zentrum seines Gehirns loderte eine Gewissheit: Er hatte genau 30 Minuten Zeit, um Abby zu retten. Das war sein ganzer Spielraum. Die 30 Minuten zwischen den Kontrollanrufen. Auf diese 30 Minuten hatte Hickey seinen Handlungsspielraum begrenzt. Dabei spielte es keine Rolle, ob es nun diese halbe Stunde war oder die nächste. Diese kurze Zeitspanne war alles, was er hatte.
Will warf den Waschlappen ins Becken. Er musste erfahren, was Cheryl wusste. Alles, was sie wusste. Es bestand die Möglichkeit, dass sie vorhin gelogen hatte und genau wusste, wo Abby gefangen gehalten wurde. Wahrscheinlich wusste sie es wirklich nicht.
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