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24 Stunden

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Titel: 24 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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dem Mund, stieg von ihrem Oberkörper herunter und setzte sich neben sie aufs Bett. »Ich weiß, dass das schrecklich ist. Vielleicht haben Sie jetzt auch so entsetzliche Angst wie meine kleine Tochter.«
    Cheryl lag reglos wie ein Steinengel auf einem Grab da. Ein Engel mit schreienden Augen.
    »Wir werden das so lange wiederholen, bis Sie mir sagen, wo Abby ist. Daher wäre es am besten, wenn Sie mir alles, was Sie wissen, so schnell wie möglich sagen.«
    Ihr Gesicht war grau. Will überprüfte, ob sich ihre Fingernägel schon blau verfärbten. Der Sauerstoffmangel forderte seinen Preis, und die Bewusstlosigkeit würde gleich folgen. Während er in die Tasche griff, um ein Fläschchen Restorase herauszuholen, färbte sich Cheryls Haut bläulich. Es dauerte zu lange, die Kontaktspritze zu füllen, daher zog er fünfzig Milligramm davon in eine normale Spritze und spritzte das Medikament in die Vene in der Ellbogenbeuge. Zwanzig Sekunden später flatterten ihre Augenlider. Sie blinzelte, und ihre Tränendrüsen schütteten wieder Tränen aus.
    »Ich mache das nicht gern«, sagte er. »Aber Sie zwingen mich dazu. Hickey zwingt mich dazu.« Er strich ihr über den Arm und wischte ihr mit seinem Ärmel die Tränen weg. »Ich weiß, dass Sie das nicht noch einmal durchmachen wollen. Sagen Sie mir also, was Sie wissen.«
    »Sie Scheißkerl«, flüsterte Cheryl. »Ich habe mir in die Hose geschissen. Sie sind schlimmer als Joey. Schlimmer als alle anderen!«
    »Wo ist Abby, Cheryl?«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich es nicht weiß.«
    »Sie wissen mehr, als Sie mir sagen. Es kann gar nicht sein, dass Sie nichts wissen. Immerhin haben Sie die Sache schon fünfmal durchgezogen. Wo steht der Pickup? Wo werden Sie sich mit Hickey treffen, um ihm das Geld zu geben?«
    »In einem Motel«, sagte sie. »In der Nähe von Brookhaven.«
    Brookhaven lag südlich von Jackson und war in etwa 50 Minuten von dort mit dem Wagen zu erreichen.
    »Sehen Sie?«, sagte Will. »Das wusste ich zum Beispiel noch nicht. Ein guter Anfang. Reden Sie weiter.«
    »Mehr weiß ich nicht.«
    »Sie wissen noch viel mehr. Wie heißt das Motel?«
    »Truckers' Rest.« Sie schüttelte den Kopf. »Bitte, tun Sie es nicht noch mal. Ich flehe Sie an.«
    Irgendwie tat sie ihm leid, aber Will konnte sich jetzt kein Mitleid leisten. Sie hörte sich an wie ein Kind, ein kleines Kind, das bettelt, nicht von einem Monster verletzt zu werden. War er ein Monster? Vielleicht bettelte Abby in diesem Moment ebenso, dass ihr niemand etwas antat. Und das war zum Teil die Schuld dieser Frau, die vor ihm lag.
    Wiederum hatte er ein Bild vor Augen, nun das Bild eines Mannes, der auf dem Flughafen auf einen Angeklagten wartete, der von Polizisten eskortiert wurde. Er stand vor einer öffentlichen Telefonkabine und tat so, als ob er telefonierte. Plötzlich zog er eine Pistole aus seiner Manteltasche, eine Pistole, die seit 20 Jahren bei ihm zu Hause im Schrank gelegen hatte. Sie hatte gewartet, benutzt zu werden, um einen Mann zu töten, der einen kleinen Jungen sexuell belästigt hatte. Will wusste nicht, ob er aus Rache einen Mord begehen konnte. Aber er würde töten können, um einen Mord zu verhindern. Er könnte diese Frau foltern, um seiner Tochter Schmerzen zu ersparen.
    Mit der Kälte eines KZ-Arztes stopfte er die Socken wieder in Cheryls Mund und spritzte ihr siebzig Milligramm Anectine. Er schaute ihr in die Augen. Ihr Gesicht zuckte, und ihre Muskeln erstarrten. In ihrem Blick spiegelte sich das Entsetzen der ganzen Menschheitsgeschichte. Es war so, als sähe er zu, wie jemand unmittelbar vor seinen Augen ertrank. Als er eine neue Dosis Restorase in die Spritze zog, steigerte sich Cheryls Angst ins Unermessliche. Allmählich wurden ihre Gehirnzellen nicht mehr mit Sauerstoff versorgt, und die Angst wich aus ihrem Blick. Ihre Haut hatte sich blau verfärbt, als er das Restorase in ihren Arm spritzte. Und als sie aus der Erstarrung erwachte, zitterte sie am ganzen Leib.
    »Wo ist Abby?«, fragte er. »In diesem Augenblick?«
    Da Cheryl Anstalten machte zu sprechen, zog er ihr die Socken aus dem Mund.
    »Puh... Wasser«, krächzte sie.
    Will ging zum Waschbecken, hielt einen sauberen Waschlappen unter den Wasserhahn, kehrte zurück und drückte ein paar Tropfen in ihren Mund. »Vorsicht.«
    »Mehr«, bettelte sie und fing an zu husten.
    Er drückte noch ein paar Tropfen in ihren Mund.
    Ein tiefes Schluchzen ließ ihre Brust erbeben. Cheryl hatte einen

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