2406 - Die Kristall-Annalen
Morgoth’Daer-Eskorte zog eine breite Wärmespur. Sie bewegten sich völlig frei und ungezwungen.
Als wären sie die Herren im Haus.
Es ging tiefer und tiefer hinab ins Kastell. Auch als die beiden wieder Kontakt zu der Gruppe um den Auftraggeber hatten, führte der Weg weiter nach unten.
Einmal nahm der Pikosyn mit seinen Richtmikrofonen ein kurzes, an sich belangloses Gespräch auf, das zwei Morgoth’Daer der Eskorte untereinander in Traicom führten, der Einheitssprache der Kolonne.
Der Rechner vermutete in einer Wortkombination, die unübersetzbar blieb, den Eigennamen des Auftraggebers: Ekatus Atimoss.
Endlich hatte die Truppe des Auftraggebers ihr Ziel erreicht – auf einer Etage nur 20 Meter über Bodenniveau.
„Was hast du vor? Wartest du wieder, bis sich ein Plan enthüllt?", fragte Mondra.
„Wir tun, wofür wir hier sind. Wir brechen ein, und zwar in die Räume dieses Ekatus Atimoss."
„Wie?"
„Wie gehabt: durch die Lüftungsschächte. Damit haben wir doch gute Erfahrungen gemacht."
Mondra Diamond überlegte: „Wenn das hier der Wohnbezirk des Auftraggebers ist, einer hohen Charge in der Kolonne, dürfte es zusätzliche Sicherheitssysteme geben."
„Wozu?", fragte Rhodan. „Er sitzt in der LAOMARK, in einer Sphäre, die sich meist im Hyperraum aufhält; er sitzt dort in einem gut bewachten Kastell, behütet von einer Morgoth’Daer-Leibwache. Zudem steckt er in einer Hightech-Rüstung, von der wir mit Sicherheit annehmen dürfen, dass sie an Schlagkraft eine kleine Armee wettmacht. Wozu also die Lüftungsschächte bewachen, zumal sie für möglicherweise abtrünnige Laosoor unpassierbar sind? Außerdem sorgen ja seine nebulösen Motivatoren dafür, dass die Laosoor hoch motiviert sind!"
„Wir aber auch!", bemerkte Mondra.
5.
Die Mond-Sphären der Laosoor
Über viele Monate ließ Ekatus Atimoss das Gerücht streuen, das Artefakt von Koptce gäbe ein Gastspiel auf Drymzzol im Schlozaar-System.
Das Artefakt spielte in den Legenden vieler Sternenvölker eine Rolle, darüber hinaus existierten in manchen Zivilisationen offenbar Aufzeichnungen, die bestätigten, dass das Artefakt keine bloße Erfindung war.
Ein Abgleich dieser Daten erlaubte es, die Funktionsweise des Artefaktes zu rekonstruieren. Danach musste es sich bei dem Artefakt von Koptce um einen Komplex aus mehreren Fiktivtransmittern mit einer temporalen Komponente handeln. Im Verbund sollte dieses System in der Lage sein, Auszüge ferner Welten für eine gewisse Zeit auf einem Planeten abzubilden.
Wie es schien, begriffen sich die Inhaber des Artefaktes als Künstler. Es war völlig klar, dass schon ein einziger Fiktivtransmitter einen unschätzbaren Wert darstellte, zumal für ein Volk von Dieben, wie es die Laosoor waren.
Zwar sollten etliche Laosoor von Natur aus die Möglichkeit zur Teleportation besitzen, doch nur in sehr eng gezogenen Grenzen. Der Fiktivtransmitter würde ihnen völlig neue Dimensionen eröffnen.
Die Aussicht, sich möglicherweise einer kompletten Baureihe solcher Geräte zu bemächtigen, musste auf die Laosoor einen unwiderstehlichen Reiz ausüben.
Ekatus Atimoss erschuf Hunderte von Parapolarisatoren, mit deren Hilfe Mitglieder seiner Pressor-Garde auf Drymzzol einen Fiktivtransmitter simulieren konnten.
Zum angesagten Termin ließ der Dual siebzehn umgebaute und verfremdete Traitanks um Einflugerlaubnis ins Schlozaar-System nachsuchen: Sie, die Impresarien des Artefaktes von Koptce, böten ein Gastspiel an, von dem noch viele Generationen schwärmen würden. Jedermann im Publikum würde vollständige Befriedigung garantiert.
Erlaubnis erteilt.
Die umgerüsteten Traitanks bezogen Position über Drymzzol und begannen mit dem Aufbau der Transmitter-Attrappen im Orbit. Unter den Traitanks war auch die TINVYLLY, das Flaggschiff des Duals.
Plötzlich waren die Mond-Sphären da: Übergangslos und ohne Fahrt zu machen, hingen die riesenhaften Gebilde in der Nähe der Transmitter-Attrappen.
Der Dual gab das Zeichen zum Einsatz. Wenige Minuten später materialisierte eine terminale Supratron-Spindel über dem Äquator des Planeten, inmitten eines wahren Gestöbers von Traitanks.
Kurz darauf fragte einer der Kalbarone der Garde nach, ob der Dual eine Anfrage der Regierenden Ministerpräsidentin von Drymzzol zu beantworten wünschte. Er nahm das Gespräch an.
Das Hologramm zeigte ein vage humanoides Wesen mit trapezförmigem Leib, dessen eine Seite auf undefinierbare Weise tiefer lag
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