2406 - Die Kristall-Annalen
Gegenständen in den Regalen gefunden und markiert. Die Verrechnung der Reflexionen ermöglichte etwas wie eine Frontalsicht der beiden Dual-Gesichter.
Rhodan bemerkte, dass der eidechsenhafte Kopf von nebelhaft grünen, starrenden Augen dominiert wurde.
Das musste die Quelle des alles durchdringenden Blickes sein, den er bei der Vorüberfahrt des Trageroboters gespürt hatte.
Der Schildkrötenkopf mit dem Schnabel wirkte versteinert von Schmerzen.
Der Schwebesessel trug den Dual zu dem Regal, in dessen unterstem Regal der schillernde Diskus aus Kristall lag.
Der Stuhl landete, und der Dual richtete sich mühsam auf. Er machte einige Schritte auf den Kristall zu. Beide Köpfe schauten auf das fragile Gebilde hinab, das gerade so groß wie eine Männerfaust war.
Der Dual setzte sich. Seine Münder begannen zu sprechen. Ihre Position war günstig; die Richtmikrofone nahmen den Schall auf, verstärkten und reinigten die Geräusche.
„Was sagen sie?", fragte Rhodan.
„Sprachen unbekannt", antwortete der Pikosyn. „Kein Traicom und auch keine vokabulatorische oder sprachstrukturelle Verwandtschaft mit Traicom."
„Mehrere Sprachen?", fragte Rhodan nach.
„Ja. Die beiden Köpfe sprechen in verschiedenen Sprachen, die untereinander keine Ähnlichkeit aufweisen."
„Übersetzung möglich?"
„Da jedes Referenzobjekt fehlt: noch nicht."
Plötzlich spürte Rhodan, dass sich der Diskus aktivierte, dass er die Reden des Duals aufnahm. Und er spürte noch mehr: den Nachdruck, den der Dual in seine Worte legte, und den Widerwillen, den Ekel, mit dem das Gebilde die Worte aufnahm.
Wie ein Spiegel Licht reflektiert, so reflektierte die geschlossene Kristallschale auf paranormalem Weg das, was ihr diktiert wurde.
Er blickte Mondra forschend an; sie hob ratlos die Augenbrauen. Offenbar stand sie nicht in Kontakt.
Natürlich verstand Rhodan kein Wort, aber Fragmente von Bildern passierten seinen Geist. Einiges kam ihm vertraut vor. Er glaubte, die Sphäre der LAOMARK zu erkennen, die unfasslich große goldene Kugel des GESETZ-Gebers CHEOS-TAI, einzelne Laosoor, deren Physiognomie ihm unbekannt war.
Manche Vision war mit Emotionen verknüpft. Er entdeckte eine schlanke, ätherische Säule, eine Stele, von der ein bestialischer Gestank ausging und an der ein heftiges Bedauern hing. Und immer wieder schob sich eine geometrische Figur durch die mosaikartig zerschlage Bilderwelt, ein Trapez, von dem er auf unerklärliche Weise wusste, dass es der Himmel eines ganzen Universums war und dass die haiflossenartigen Gebilde, die durch dieses Trapez schnitten, Bunro-Sonden waren.
Perry Rhodan dachte: Welche Welt hat solch einen Himmel? Untergründig spürte er, dass mit jener Welt etwas nicht stimmte – nein, untertrieben: Nichts stimmte an ihr. Jene Welt war aus Unstimmigkeiten gebaut. Es gab dort Meere, ja, aber sie hatten keinen Grund; es gab Zeit, ja, aber sie verfolgte keine einheitliche Richtung; es gab Zahlen, aber sie ließen sich nicht addieren, nicht multiplizieren, sie standen wie Inseln im mentalen Nichts, leere Monolithen.
Es war eine Jaaber-Welt, kein Lebensraum für ein Lebewesen wie ihn.
Doch eben diese Bilder eines unstimmigen Universums strahlten etwas wie Trost aus, ein Versprechen, Schmerzen zu lindern, die weit über sein Fassungsvermögen gingen.
Plötzlich zog ein Flugkörper in die Gedankenwelt ein, ein hantelförmiges Raumschiff, das trotz seiner beiden Kugelbauten als scharf, schroff, fremd und kantig empfunden wurde, als schwere Last – die JULES VERNE.
Mit einem Mal begriff Rhodan, was der Dual hier tat, und er flüsterte es Mondra Diamond zu: „Ekatus Atimoss führt Tagebuch."
„Und wir haben einen neuen Plan!", erkannte sie.
„Ja", sagte Rhodan. „Holen wir uns sein Tagebuch und stöbern wir darin."
Eine kurze Pause, dann sprachen die dualen Münder wieder. Einige Momente, und eine neue Welle wirrer Bilder wurde in Rhodans Geist gespült.
Da er hoffte, die Bilderflut bald in Ruhe analysieren zu können, bemühte er sich jetzt nicht mehr um Verständnis von Details.
Alle Bilder, die er sah, schmeckten wie eine Erinnerung, und es waren zwei Geschmacksrichtungen, die sich hier vermischten: die von Ekatus und die von Atimoss. Allerdings überwog der eine Geschmack den anderen bei Weitem.
Übrigens vermochte Rhodan nicht mehr zu sagen, in welche Richtung die Bilder wanderten: vom Dual zum Gefäß oder vielmehr vom Gefäß zurück zum Dual? Hatte sich die Fließrichtung
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