2409 - Grenzwall Hangay
Übermenschliches geleistet. Irgendwie war es dem feisten, meist unwirschen Barniter gelungen, für jeden Einzelnen der akut Gefährdeten eine Intensiv-Medoeinheit bereitzustellen, die ihn betreute, überwachte und am Leben hielt.
Die unmöglichsten Geräte aus allen acht Schiffen waren dafür umfunktioniert worden. Entscheidende Hilfestellung hatten Djato die von Jawna Togoya koordinierten Posbis geleistet. Ja, einige tausend der Roboter hatten sich sogar selbst zu improvisierten Tiefschlaf-Tanks „transformiert".
Die zusätzlich benötigten, dem jeweiligen Organismus angepassten Medikamente und Nährflüssigkeiten lieferte Marc Herrens Pharma-Fabrik. Wie alle anderen, die dazu noch fähig waren, wuchs der junge Anästhesist über sich hinaus. Nicht nur half er, rund die Hälfte der Besatzung zu sedieren; sondern er entwickelte zudem unentwegt neue, stärkere, illegalere Stimulanzien für das Häuflein derer, die das Geschwader am Fliegen hielten.
Es ging doch nichts über die verbotenen Drogenexperimente der Jugend ...
Djato, Jawna und Marc waren nur drei von vielen, die sich gegen den Grenzwall zur Wehr setzten. Sie kämpften mit allem, was sie hatten, buchstäblich bis zum letzten Mann. Jeder, jede, jedes all dieser verschiedenen Wesen an Bord der acht Trägerschiffe gab sein Bestes.
Und dennoch war es zu wenig.
*
Der Flug durch den Linearraum verlief ohne Zwischenfälle, wie gehabt. Das Geschwader näherte sich dem inneren Rand des Grenzwalls Hangay.
Prid-Reuyls jüngster Lagebericht gab Anlass zu sehr, sehr gedämpftem Optimismus. „Wenn ich richtig informiert bin", sagte der Ara mit brüchiger Stimme, „geht unsere letzte Etappe in einer Stunde zu Ende."
„Laut Kursanweisung, ja."
„Das ist gut. Denn so lange halten die derzeit aktiven Mannschaften gerade noch durch."
Der Chefmediker sah aus wie ein Gespenst. Seine Kopfhaut glich einer zerknitterten, hauchdünnen Folie, durch die das Geäst rasend pulsierender Adern schimmerte. „Dann aber werden sie – wir – endgültig zusammenbrechen und schleunigst notversorgt werden müssen."
„Die Stabilisierung der Tiefschläfer?", fragte Atlan.
„Ist noch etwas länger gewährleistet.
Aber die an den Leitständen Diensttuenden ... Eine Stunde, mehr nicht."
„Ich danke dir. Ich danke euch allen."
*
Er fühlte sich mies dabei. Aber Atlan blieb keine Wahl, als die Entwicklung zu Ende zu denken.
Das Resultat fiel anders aus, als es die Erschöpften und Sterbenden gern gesehen hätten.
Eins ist gewiss, konstatierte der Logiksektor unbarmherzig: Nach unserer Begegnung mit dem Raum-Zeit-Router wissen die Truppen der Terminalen Kolonne definitiv über die Existenz von Grenzbrechern Bescheid!
Das bedeutete mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit: Am Ziel der ihnen zugewiesenen Route sammelten sich bereits die Traitanks.
Wenn sie ihre Linearetappe, die sie demnächst in den freien Raum Hangays bringen sollte, am vorgesehenen Punkt beendeten, war das der sichere Flug in den Tod oder zumindest in die Gefangenschaft. Was davon das geringere Übel wäre, stand im Wissen um das Schicksal, das Roi Danton ereilt hatte, wohl kaum zur Debatte.
Darüber hinaus ging mit ihnen die Hoffnung der Menschheit und der Milchstraße unter. Dies durfte nicht geschehen.
Nachdem er tief Luft geholt hatte, erteilte Atlan seine Befehle. Die Augen derer, die sie entgegennahmen, weiteten sich vor Schreck.
Zweimal war das Hangay-Geschwader bisher unfreiwillig gestoppt und zurück in den Normalraum geworfen worden.
Beim dritten Mal unterbrachen die acht von einer gemeinsamen Halbraumblase umgebenen Schiffe ihren Linearflug, weil Atlan da Gonozal es so angeordnet hatte.
*
„ESCHER."
„Ich höre."
Er sprach direkt mit der Parapositronik; Dr. Laurence Savoire lag längst auf der Intensivstation.
Die Hyperdim-Matrix hingegen wurde von dem Effekt, der den Lebewesen an Bord die Vitalkraft entzog, zum Glück nicht betroffen: Ihre „Prozessoren" waren im biologischen Sinn bereits tot.
„Hast du inzwischen weitere Erkenntnisse gewonnen?"
„Ich habe eine Menge gelernt. Das sechsdimensionale Modell des Grenzwalls wurde wieder und wieder angepasst und verfeinert."
„Kannst du uns aus dem Diskontinuum bringen? Auf einem anderen Weg als jenem, den uns der Raum-Zeit-Router gewiesen hat?"
„In unmittelbarer Nähe befinden sich zwei Stabilzonen. Nummer eins war unser Ziel. Der Korridor dorthin ist jedoch inzwischen im Zusammenbruch
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