241 - Splitterzeit
Geruch irgendeines Gemischs, das an Kerosin erinnerte und Wehmut in ihm hochspülte.
Er war immer der Flieger Matthew Drax geblieben, auch wenn die Umstände die Erinnerung daran meist erstickten.
Hier nicht. Hier in diesem Schuppen, dieser Werkstatt eines Mannes namens Gustave Whitehead – daran, dass es sich um die gesuchte Adresse handelte, zweifelte Matt nun überhaupt nicht mehr –, sprang ihn die eigene Pilotenvergangenheit mit Macht wieder an. Er schloss kurz die Augen, um sich nur den Gerüchen hinzugeben, die ihn an die Hangars von früher erinnerten, die Hallen, in denen die Jets gewartet und flott gemacht worden waren…
Ein zischendes Geräusch ließ ihn erst zusammenfahren und dann jeden Muskel seines Körpers anspannen. Angestrengt suchte sein Blick die Richtung, aus der das Fauchen gekommen war… und fand die wabernde Lichtinsel, die sich im Dunkel links von ihm gebildet hatte.
Die Umrisse einer Person wurden sichtbar. Sie saß auf einer Werkbank, ihre Beine baumelten in der Luft, und in der Hand hielt sie ein Schwefelholz von beachtlicher Länge, das so langsam abbrannte, dass es noch eine Weile dauern würde, bis die Flamme die Finger erreichen würde.
Doch so lange wollte die Person offenbar nicht warten, denn das brennende Hölzchen tauchte in ein Gehäuse ein und entzündete dort den Docht einer Lampe.
»Whitehead?«, fragte Matt.
Keine Antwort.
Keine verbale jedenfalls. Dafür dehnte sich die Lichtinsel jetzt rasant aus und gewann auch an Stärke, sodass die Gestalt auf der Werkbank nicht mehr länger nur zu erahnen, sondern zu sehen war.
Matt spürte kaum, wie sich seine Hände zu Fäusten ballten. Er war drauf und dran, sich auf den Schurken zu stürzen, den er hier am allerwenigsten erwartet hätte und der ihn bedenkenlos einem elenden Tod überlassen hatte.
»Crow, Sie Schweinehund!«
Seine Wut war nicht länger zu bezähmen. Er eilte auf den General zu, der die Ruhe selbst blieb und nicht länger nur ein Streichholz oder eine Lampe in Händen hielt, sondern von irgendwoher einen Revolver zauberte, den er ausdruckslos auf Matt richtete… und ihn damit stoppte.
»Begehen Sie keine Dummheit, die Sie bereuen müssten, Drax«, riet ihm Crow. »Wenn ich Sie hätte umlegen wollen, hätte ich nicht erst diesen Budenzauber hier veranstalten müssen. Geht das in Ihr jämmerliches Hirn? Na also, dann entspannen Sie sich jetzt. Sie sind wütend auf mich, weil Sie glauben, ich hätte sie skrupellos opfern und hier zurücklassen wollen.« Der General rutschte von der Werkbank. »Wahr ist, ich wollte sie zurücklassen – wer will es mir verübeln? Sie wissen, dass wir keine Freunde werden, nicht hier und nicht anderswo. Aber ich wollte ganz bestimmt nicht, dass Sie in den Flammen umkommen. Und das sind Sie ja auch nicht, wie ich sehe – und worüber ich mich ehrlich und aufrichtig freue.«
Die Art und Weise, wie Crow seine Freude beteuerte, verriet Matt, dass mehr dahinter stecken musste als das, was der General preisgab.
»Sie sind ein gottverdammter Heuchler, Crow. Ich traue Ihnen nicht über den Weg und glaube Ihnen kein Wort… auch wenn ich zugeben muss, dass mich Ihr Hiersein überrascht.« Er sah sich um. »Ich dachte, Sie seien längst wieder in der Zukunft, im Flächenräumer. Sie haben es versucht, darauf würde ich jede Wette eingehen. Dass Sie noch hier sind, lässt vermuten, dass Sie gescheitert sind. Ich hoffe, das bedeutet nur, dass Sie zu unfähig waren, das Tor zu erreichen – und nicht, dass es verschwunden ist.«
»Es ehrt mich, dass Sie eine so hohe Meinung von mir haben, Drax. Wirklich, Sie machen mich verlegen«, sagte Crow mit unverhohlenem Sarkasmus.
»Wo ist Whitehead? Haben Sie ihm etwas angetan?«
»Im Gegenteil.«
»Im Gegenteil?«
»Er ist wiedervereint mit seiner Familie. Zumindest schätze ich, dass er sie mittlerweile gefunden haben müsste. Sie ist dort, wo ich ihn hingeschickt habe: in der Notunterbringung, die im Hafenbereich errichtet wurde. Sie haben es vielleicht gesehen, wenngleich ich nicht weiß, wo genau Sie zuletzt gesteckt haben. Ich suchte nach Ihnen und fand das Gebäude, in das die Polizisten Sie gebracht hatten, bis auf die Grundmauern niedergebrannt. In dem herrschenden Chaos nach Ihnen zu suchen, hielt ich für wenig Erfolg versprechend. Deshalb –«
»– kamen Sie auf den glorreichen Einfall«, führte Matt den Satz fort, »mir dort aufzulauern, wohin ich mich Ihrer Meinung nach begeben würde, wenn mir die Flucht gelingen
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