2412 - Das Wasser von Aar
hoch und jedes Glasfischchen, das es bis zur Kokonreife brachte, kostbar wie Hyperkristalle.
Cheplin förderte auch die Durchmischung des genetischen Materials mit den anderen Wurmen. Dadurch sollte das Volk möglichst lange gesund und fortpflanzungsfähig bleiben und nicht etwa durch einen Flaschenhals der Evolution gehen, der die Wurme irgendwann erloschen durchs All treiben lassen würde.
Natürlich waren nicht alle mit seiner Vorgehensweise einverstanden, vor allem nicht die Höchstrangigen der genetischen Linien. Oft gab es hitzige Diskussionen, zweimal hatte sogar ein Umsturz gedroht. Doch der Großteil des Volkes stand hinter dem Schwarmer von Aarus-Jima, und die Familien selbst waren sich zu uneinig, um sich geschlossen gegen ihn zu wenden. Ein drastischer Wandel wäre auf eine Genetische Diktatur hinausgelaufen, welche – abgesehen von derjenigen Familie, die die Macht an sich reißen würde – niemand wünschte.
Also mussten sich die Vika, Fisst und wie sie alle hießen, dem Druck beugen. Junge Generationen wuchsen in den neuen Verhältnissen heran und waren zufrieden mit ihnen. Die Macht der Alten schwand dahin. Sie fügten sich auf friedliche Weise, wie es die Art ihres Volkes war. Aarus töteten einander nicht, und sie hassten jede Art von Freiheitsberaubung. Auch wenn der Schwarmer die Machtstrukturen aufbrach – es ging ihnen deswegen nicht schlechter. Cheplin hatte zwar eine lange Tradition gebrochen, aber er ermöglichte dem Schwarm größtmögliche Freiheit und Entfaltung, und das untermauerte seine Position nur noch mehr. Darüber hinaus war er ein fähiger Taktiker und Diplomat; er behielt über alles den Überblick und gab bei schwierigen Verhandlungen mit Auftraggebern Ratschläge. Die Methoden, mit denen er seinerzeit als Scout lukrative Aufträge herangeschafft hatte, wurden inzwischen an den Schulen gelehrt.
Das Volk der Aarus hatte keine Not zu leiden. Es lebte zufrieden im Überfluss, und es gab Beschäftigung für alle.
Genau das war einer der Kritikpunkte, mit denen Cheplin seit knapp einem Jahr zu kämpfen hatte.
*
Der Schwarmer hatte lange darüber nachgedacht, ob etwas – und wenn ja, was – zu unternehmen sei. Er hatte die Ungerechtigkeiten seiner Jugend nie vergessen und noch weniger das Joch Tradoms. Mit eigenen Augen hatte er zusehen müssen, wie sein Vater abgeholt wurde, um für das ganze Volk der Aarus bestraft zu werden. Weil es die Tributzahlungen nicht mehr aufbringen konnte.
Dieses traumatische Erlebnis war der Grundstein für die Rebellion gewesen. Und die Terraner hatten sich als treue Verbündete herausgestellt.
Nicht nur das: Sie hatten den Aarus eine Art „neue Heimat" angeboten, wo die Interstellaren Wurme fortan kreuzen und ihre Dienste anbieten konnten. Sie hießen Aarus-Jima gastfreundlich in ihrem eigenen System willkommen.
Das verpflichtete. Es war nicht von der Hand zu weisen, dass sich auch die Aarus eines Tages in die Auseinandersetzung einmischen mussten. Wenn Cheplin sich die Entwicklung seit der Bildung der ersten Kabinette ansah, war ihm dies klar. Sicher, von der Kabinettbildung waren bisher nur Planeten betroffen. Aber die Entstehung der Negasphäre in Hangay konnte nicht einfach übergangen werden.
Was blieb von den Aarus, wenn sie mit den Sphären nicht mehr beliebig kreuzen durften, wohin sie wollten?
Wenn es vielleicht gar nicht mehr möglich wäre? Oder die Negasphäre alles zerstörte und das Leben pervertierte?
Im Februar 1344 NGZ hatte die von Perry Rhodan ausgerufene Aufbaukonferenz der Völker stattgefunden, bei der auch Cheplin als Vertreter für die Aarus zugegen war. Dreihundert Delegationen, die meisten aus der Westside, waren anwesend. Rhodan hatte eine Einigung der Völker vorgeschlagen, um im Gegenzug einen Technologietransfer anzubieten, der alle Systeme auf effiziente Weise miteinander verbinden sollte.
Doch bevor die Diskussion überhaupt richtig begonnen hatte, waren die Vorboten TRAITORS eingetroffen.
Nicht einmal achthundert von rund zweieinhalbtausend Personen entkamen den Assassinen des Chaos. Die friedliche Konferenz endete in einem Blutbad und im tiefen Schock der Überlebenden.
Dem Schwarmer waren die grauenvollen Bilder des Anschlags lange nicht aus dem Kopf gegangen, und seit der Bildung der Kabinette flackerten sie neu auf. Blut und Gemetzel, gnadenlose Hinrichtungen. Ohne Vorwarnung, ohne Verhandlungsbereitschaft.
Gab es denn überhaupt eine Zukunft, wenn sie nichts unternahmen?
Cheplin
Weitere Kostenlose Bücher