2419 - Der neue Herr der SOL
Verwicklungen brauche ich ungefähr gleich dringend wie einen Kropf. – Aber die SOL wurde doch nach der Rückeroberung von Shabazza nicht mehr als autarker Planet behandelt. Außerdem könnte man darauf pochen, dass der Sonderstatus der SOL an die damalige Bevölkerung gebunden war und mit dieser verloren ging."
Rasmonn rümpfte die Nase und wiegte den Kopf hin und her. „Ein leider wackeliger Standpunkt. Für die Mom’Serimer sind genau jene Charakteristika typisch, die auch für die alten Solaner galten: Sie befinden sich bereits seit mehreren Generationen an Bord, und das Raumschiff ist ihr wesentlicher Lebensraum. Die LFT hat die Unabhängigkeit der SOL jedenfalls immer anerkannt, insbesondere als sie in den Jahren 425 bis 426 NGZ wieder in der Milchstraße aufgetaucht ist. Es gibt auch keine sonstigen Präzedenzfälle, da ja bei Planeten etwa das Problem der Kurssetzung normalerweise nicht auftritt."
„Kommandantin Kellind kann einem Kadetten natürlich nicht befehlen, sich eine nützlichere Freizeitbeschäftigung zu suchen. Bleibt nur zu hoffen, dass Sinco Venethos möglichst bald von selbst die Lust an diesen Spitzfindigkeiten verliert."
„Unwahrscheinlich. Der Walfisch bezeichnet ihn als einen seiner zielstrebigsten und beharrlichsten Schützlinge, für einen Mom’Serimer geradezu unnatürlich konstant und charakterfest. Wenn der sich einmal in etwas verbissen hat, lässt er nicht so schnell locker. Nein, ich fürchte, die SOL fliegt ins juristisch Unbekannte."
„Nicht wahr, das schreckt dich mehr als TRAITOR und die Proto-Negasphäre zusammen?"
„Selbstverständlich."
Tek hatte gescherzt. Aber Rasmonns Gesichtsausdruck verriet, dass seine Antwort bitterernst gemeint war.
*
Am 12. September erreichte der aus einer Kolonnen-Fähre und fünfzig Chaos-Geschwadern bestehende Konvoi das Tir-Na-Tir-System, wo offenbar ein längerer Zwischenhalt eingelegt werden sollte. Hier warteten weitere Hundertschaften von Traitanks sowie die drei Kolonnenforts, deren Montage die SOL schon vor einigen Monaten beobachtet hatte.
Ein gewaltiger Aufwand, wenn man bedachte, dass die Kosmokraten keinerlei Angriffstruppen nach Hangay entsenden konnten. Aber wenn die Informationen und Schlussfolgerungen stimmten, wenn das Gebilde auf der Ladefläche der Fähre wirklich als Herzstück eines Chaotenders namens VULTAPHER vorgesehen war ...
... dann bot sich der SOL hier vielleicht die Gelegenheit, erstmals der Terminalen Kolonne einen empfindlichen Schlag zu versetzen. Auch wenn es im Fall einer Vernichtung sicherlich Ersatz gab – von ZENTAPHER war bekannt, dass MORHANDRAS Bau Jahrtausende beansprucht hatte.
Oberst Don Kerk’radian, Kommandant der SZ-1 und zuständig für den Bereich Schiffsverteidigung, arbeitete zusammen mit Oberstleutnant Lene Jeffer, Leiterin der Abteilung Bordwaffen, verschiedenste Angriffspläne aus. Letztlich mussten sie allesamt als undurchführbar verworfen werden.
Zwar verfügte die SOL über ein beträchtliches Waffenarsenal: insgesamt 250 Transformkanonen von Kalibern bis zu 500 Megatonnen Vergleichs-TNT; weiterhin, ebenfalls mit einer Kernschussweite von maximal einer Million Kilometern, 250 MVHÜberlicht-Geschütze im Konstantriss-Nadelpunkt-Modus für Intervall- und Thermostrahler sowie 15 Paratron-Werfer vergleichbarer Reichweite.
Hinzu kamen Raumtorpedos und Marschflugkörper, Störsonden, Raumminen und nicht zuletzt die zahlreichen Beiboote. Aber gegen die Übermacht aus Traitanks und Kolonnen-Forts, von denen die Fähre abgeschirmt wurde, nützte auch der Vorteil des Hypertakt-Triebwerks zu wenig.
Falls es der SOL überhaupt gelungen wäre, bis zur Kolonnen-Fähre vorzudringen, wäre sie dabei unweigerlich vernichtet worden.
Eine Gruppe von Mom’Serimer-Kadetten und -Korporalen schlug vor, mit der Hypertakt-Solonium-Space-Jet X-2 eine Art Kamikaze-Angriff auf das Herz des Chaotenders zu fliegen, und meldete sich gleich freiwillig dafür.
Fee Kellind und Tek ließen die Erfolgschancen eines solchen Selbstmordkommandos durchrechnen; und als SENECA einen Wert von unter einem Promille auswarf, lehnten sie den Vorschlag dankend ab. Gleichwohl war nicht nur Tek gerührt darüber, dass Mom’Serimer von sich aus die Bereitschaft zeigten, sich für das Wohl ihrer „neuen, fernen Heimat" zu opfern.
Auf direkte, gewaltsame Art war also nichts zu machen. Während noch in verschiedenen Expertengruppen beratschlagt wurde, was man vielleicht sonst noch anstellen könnte,
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