2426 - Aufbruch der Friedensfahrer
zu erklären. Das sind zwei verschiedene Entwicklungen. Die Gründermutter ist nicht mit dem Korpus verschmolzen. Sie lebt. Körperlich, so wie du und ich."
„Nach zweieinhalbtausend Jahren? Ist sie etwa unsterb..."
N’tuvage, dessen Gesicht sich nun schneller als zuvor veränderte, warf den Kopf zurück und ... schnaubte?
Lachte? Ich konnte es nicht genau sagen.
„Das weiß ich nicht genau, aber die Gerüchte entsprechen der Wahrheit."
Er kramte in einer Innentasche seiner Kutte, holte einen Datenspeicher hervor und hielt ihn mir hin. „Sie lebt. Und zwar auf dem Kapellenmond Ospera."
„Auf Ospera?", wiederholte ich nachdenklich. Acht Monde umkreisten als Kette auf einer stabilen, definitiv manipulierten gemeinsamen Bahn den Gasriesen. Vier davon waren ökogeformte, bestens bewohnbare, von dem Geheimbund genutzte Paradiese – Fumato, der Wohnmond, auf dem wir uns befanden, dann eben Ospera, der Kapellenmond, Norenor, der Orakelmond, und Rosella Enthon, der Geschlossene Mond. „Ausgerechnet auf dem Mond, der für uns alle tabu ...?"
„Es sei denn, die Friedensfahrer kommen zur Initiation und Vereidigung eines neuen Mitglieds der Organisation in der Glasbasilika zusammen."
Was bald der Fall sein würde. Wir waren hier, damit Cosmuel zur Friedensfahrerin ernannt wurde.
Nachdenklich wog ich den würfelförmigen Datenspeicher in der Hand. „Und warum erzählst du uns das ...?"
Mit einer theatralischen Geste warf er den Kopf zurück, während seine Haut sich kräuselte. „Weil ich mit Wohlgefallen beobachte, dass der Garant Kantiran eine Art Reformation bei den Friedenfahrern ausgelöst hat. Seine Stimme gewinnt immer größeres Gewicht."
„Sprechen wir jetzt in der dritten Person von ...?"
„Mit deiner Tatkraft, deiner Unbekümmertheit und der Bereitschaft, Konventionen über Bord zu werfen, könntest du der Richtige sein, die Gründermutter zu finden."
„Wie kommst du auf den Gedanken, dass mir überhaupt daran liegt, nach ihr zu su...?"
„Wer außer dir könnte wagen, das Tabu von Ospera zu brechen?"
„Aber warum sollte ich das tun?
Und woz...?"
„Vielleicht nur deshalb, damit man es endlich weiß", antwortete Injata N’tuvage.
Ich schwieg verblüfft. Was hatte mein Vater – oder war es Reginald Bull gewesen? – einmal auf die Frage geantwortet, warum er tat, was er tat?
Weil der Berg da ist.
Ich hatte damals nicht verstanden, was er meinte, bis ich schließlich herausgefunden hatte, dass das auf Terra eine Art geflügeltes Wort war.
Warum willst du diesen Berg besteigen?
Weil er da ist.
„Vielleicht", fuhr Injata N’tuvage gedehnt fort, „weil die Gründermutter uns im Kampf gegen die entstehende Negasphäre Hangay helfen könnte. Denn wenn alles stimmt, was man über die Gründungsgeschichte der Friedensfahrer weiß, dürfte sie praktische Erfahrung im Umgang mit einer Negasphäre haben!"
Im ersten Augenblick wusste ich nicht, was er meinte. Doch ich hatte mich über Negasphären und alles, was mit ihnen zusammenhing, informiert, und viel Auswahl hatte ich in dieser Hinsicht ja nicht.
Selbstredend bezog sich N’tuvage auf jene Negasphäre des Herrn der Elemente, die durch das Verschwinden von TRIICLE-9 entstanden war, einem Kosmonukleotid. Sie hatte immerhin für rund 100 Millionen Jahre Bestand gehabt und war für einen Großteil dieser Zeit eine der wichtigsten Machtbasen der Chaosmächte gewesen – 2,8 Millionen Lichtjahre von der Galaxis Behaynien und rund 216 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt.
Diese Negasphäre war erst verschwunden, als mit der Rückführung des Frostrubins im Jahr 429 NGZ das verschollene Kosmonukleotid an seinem ursprünglichen Standort in der Doppelhelix des Moralischen Kodes wieder die Kontrolle gewann.
Mein Vater hatte den Vorgang seinerzeit persönlich beobachtet. Ich hatte seine Aufzeichnungen darüber gelesen.
Inmitten des sternenleeren Raumes erblickte ich ein hässliches Gebilde, das die Form einer großen grauen Blase hatte. Es maß Tausende von Lichtjahren im Durchmesser, und ich begriff intuitiv, dass es die Negasphäre war, die ich sah, eine Enklave der Mächte des Chaos. Von einem Kosmonukleotid, das ich als TRIICLE-9 identifizierte, legte ein Messenger ab und stieß auf die Negasphäre zu.
Scharf gebündelte, zuckende Ströme hyperdimensionaler Energie gingen von ihm aus und rissen Löcher in die Wand der grauen Blase. Es war mir klar, dass ich einen Prozess beobachtete, der sich über Jahrtausende erstrecken
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