2434 - Die Halbraumwelt
gewitterte es tief unten im Meer. „Wie immer zu einem Gutteil aus Formenergie errichtet."
„So ist es", bestätigte Aina Sio.
„Die Hüllengeneratoren sind dreifach redundant vorhanden, ebenso wie die Schutzschirme, die Tiere abhalten sollen. Es kann uns bei einem Tauchgang nichts passieren."
Sie schloss die Luke der Antigrav-Schleuse, drängte sich in der Enge des Tauchboots an ihm vorbei und klappte ein mechanisches Steuerungsgestänge aus der Decke herab.
Mit routinierten Griffen startete sie das Boot. Es löste sich langsam vom Mutterschiff und sank nach unten, sanft wie ein Blatt im Wind.
„Die hiesigen Strömungen sind nicht ganz ungefährlich", sagte sie und widmete sich konzentriert der Steuerung. „Mach’s dir bequem und sieh zu. Es wird eine halbe Stunde dauern, bis wir unser Zielgebiet erreicht haben."
Ein Sacksessel bildete sich wie eine Luftblase aus dem Boden. Vorsichtig vertraute sich der Dual dem Sitz an.
Das Gefühl zu versinken, legte sich nach wenigen Augenblicken. Dann hatte sich das formenergetische Element seiner Statur angepasst.
Licht ging an und erhellte die Umgebung. Es kam aus der Hülle des Schiffs. Im Tauchboot selbst blieb es angenehm dunkel. Sie näherten sich den Rändern des Ratskontinents.
Warnsignale glommen auf und erloschen gleich wieder. Aina Sio steuerte das Unterseeschiff mit langjähriger Routine.
„Hundert Meter Tiefe", sagte sie beiläufig.
Das Herz des Duals schlug so heftig wie selten zuvor. Riesige Fischschwärme zogen vorbei. Sie huschten durch ihre nasse Welt, die Sicherheit in ihrer Masse suchend, um unvermittelt die Richtung zu ändern. Ein einsamer Räuber, riesig und hässlich, trieb träge nebenher. Sein Rumpf war von winzigen Korallen besetzt, die ihn wie totes Treibgut erscheinen ließen. Geriet ein einzelnes Opfer in seine Nähe, bewegte er seine breiten Schwanzflossen blitzschnell, erzeugte einen Schwall, der den Fisch vor sein Maul trieb. Dann schnappte er zu, fast gelangweilt wirkend.
Ein Wasserkrebs mit seidendünnen Flügeln glitt elegant vor dem Bug des Tauchboots vorbei. Er glänzte grün.
Kam ihm jemand zu nahe, schossen lange Silberfäden wie Peitschen aus Körperöffnungen hervor und schlugen den Angreifer in die Flucht.
Ein Aal verknotete seinen mehrere Meter langen Körper mit dem seiner Gefährtin. Die beiden wanden sich wie wild, in höchster Ekstase verfangen. Das Wasser ringsum brodelte, elektrostatische Impulse glitten von einem Leib zum anderen.
Kopfgroße Blasen, die langsam nach oben strebten, entpuppten sich als zähe und dicht gewobene Fangnetze, die von tief unten treibenden Algengeflechten abgestoßen wurden.
Umfingen sie ein Opfer, verklebten sie es und machten es bewegungsunfähig, um sich nach wenigen Minuten auf die Reise zurück ins Dunkel zu machen.
Rote Fadenwürmer zischten mit irrwitziger Geschwindigkeit durchs Wasser. Sie bohrten sich durch ihre Beute, die starb, bevor sie überhaupt wusste, dass sie angegriffen worden war ...
„Wir haben das Zielgebiet erreicht", sagte Aina Sio. Sie deutete nach oben.
„Die Unterseite des Ratskontinents." Ekatus Atimoss verlor plötzlich all seine Selbstsicherheit. Die gewaltige schwarze Masse, die knapp über ihm schwebte, drückte auf sein Gemüt.
Der Körper war unregelmäßig geformt. Mannsgroße Muscheln hingen zwischen Moosteppichen fest. Algen, Schwämme und Korallen, die sich zu blühendem Leben ausgebildet hatten, deuteten auf das Alter des Kontinents hin.
„Sieh dorthin" sagte Aina Sio. Sie deutete nach links. Dort zog sich der Unterteil des kontinentalen Sockels weiter nach unten. Zacken, Säulen, ja ganze Gebirge schoben sich hier in die Tiefe und erzeugten ein bizarres Negativbild der Oberseite.
Es wimmelte von Leben.
„Cypron!", sagte Ekatus Atimoss überrascht. „Hunderte, Tausende von ihnen!"
„Dachtest du etwa, wir würden unser ganzes Leben an der frischen Luft Tarquinas verbringen?" Sie verzog ihr Gesicht zu einer Grimassenform, die der Dual noch nicht kannte. „Das Wasser ist unsere natürliche Umgebung. Wann immer sich die Gelegenheit ergibt, kommen wir hier herab.
Wir benutzen die Stunden zum Müßiggang, aber auch zur Meditation oder zur transzendentalen Findung.
Wir Cypron sind nicht sonderlich religiös. Doch hier unten sehen wir die Dinge anders. Die See lehrt uns eine besondere Leichtigkeit des Seins."
Aina Sio erschuf ein Holo-Bild. Es zeigte den ganzen Ratskontinent und dessen Unterseite.
„Die Welt unter Wasser ist
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