2438 - Das Stardust-System
falls nicht?", fragte eine Seniorin. Ihre Stimme klang leise und belegt. Timber schätzte ihr Alter auf gut hundertachtzig Jahre.
Das Gesicht dieser Frau schien ihm wie ein Geschichtsbuch, die Zeit hatte tiefe Spuren darin eingegraben. Sie hatte die Ennox erlebt, den Flug zur Großen Leere, die Zeit der Kosmischen Basare und die Geschehnisse um die Imprint-Süchtigen. Wahrscheinlich hatte sie angespannt und atemlos wie viele Terraner die Trivid-Berichte verfolgt, als das Zeitfeld um den Mars-Ersatz Trokan zusammengebrochen war.
Rhodans Weg über die Brücke in die Unendlichkeit, die Arkoniden als Besatzer auf der Erde, der Hyperimpedanz-Schock mit seinen vielfältigen Folgen ...
Eine Heimsuchung nach der anderen war über das Solsystem hereingebrochen, und selten war ein Menschenleben so angefüllt gewesen von umwälzenden historischen Ereignissen wie in diesen beiden Jahrhunderten. Wer hatte wirklich Zeit, nach dem Verstehen und nach tieferen kosmischen Zusammenhängen zu suchen, die sich im blutigen Dunkel der Geschichte verbargen? Und mittlerweile TRAITOR, die in Hangay entstehende Negasphäre, die Bedrohung der galaktischen Zivilisationen ...
„Falls keine Informationen aus dem Stardust-System zurückkommen, werde ich dennoch fliegen", sagte Whistler mit Nachdruck. „Ich biete auch dann jedem die Möglichkeit, mich zu begleiten, der vor dem Ungewissen nicht zurückschreckt."
„Ich gehe mit dir!", rief die alte Frau entschlossen. „Mich kann schon lange nichts mehr schrecken – und was habe ich noch zu verlieren?"
*
„... du bist sicher?"
„Vollkommen!", bestätigte Mellinfort. „Die Information ist brandheiß, wird aber von Regierungsseite noch zurückgehalten."
„Hat Adams damit zu tun?"
Der Sekretär biss sich auf die Unterlippe. „Mein Informant hat darüber wenig verlauten lassen."
Timber F. Whistler nickte knapp. Also doch, hieß das. Der Residenz-Minister treibt weiterhin sein undurchsichtiges Spiel, und wahrscheinlich stecken knallharte finanzielle Interessen dahinter.
„Seit heute Morgen besteht rein kommunikationstechnisch eine permanente Verbindung ins Stardust-System", berichtete Mellinfort. „Auf beiden Seiten der Teletrans-Weiche wurden starke Hyperfunksender und Empfangsstationen verankert. Es scheint, dass die Sendungen jeweils nur sehr schwach empfangen werden, aber immerhin kommen sie durch."
„Wurden Keraetes Angaben über das neue Sonnensystem von den Journalisten bestätigt?"
„Warum sonst sollte Adams so beharrlich schweigen?"
Whistler lachte wie über einen gelungenen Witz. Wenn Funksignale die Weiche passierten, überlegte er, musste auch eine Transmitterverbindung möglich sein. Mit geeigneten Käfigtransmittern auf beiden Seiten ... Er schob den Gedanken rasch wieder beiseite.
Niemand würde ein derart unkalkulierbares Risiko eingehen. Die schlechte Empfangsqualität, die Jodras erwähnt hatte, ließ Experimente keineswegs angeraten erscheinen.
Mellinforts Konterfei war schon erloschen. Sekundenlang blickte Whistler ins Leere. Er versuchte, sich die Zukunft der Erde und des Solsystems auszumalen, doch es gelang ihm nicht.
Das war eine Spekulation mit zu vielen Unbekannten.
Er widmete sich wieder den Inventardaten, die er vor Mellinforts Meldung studiert hatte.
Zumindest für den ersten Siedlertreck ins Stardust-System war die Frage der Transportmittel eindeutig geklärt. Wenn Adams auf SKARABÄEN zurückgriff, geschah das nicht aus einer Laune heraus. Vielmehr hatte sich ein Heer von Spezialisten vorher ausgiebig mit allen Aspekten beschäftigt und die Situation analysiert.
Der ausschlaggebende Punkt, dessen war sich Whistler bewusst, war die erschreckend hohe Verlustrate bei Hyperkristallen. Der Siegeszug der Schwingquarze war lange Zeit nicht aufzuhalten gewesen, und längst war überlichtschneller Raumflug ohne sie nicht nur undenkbar, in den großen Raumschiffen waren sie jeweils zu Zehntausenden verbaut, angefangen von den Lebenserhaltungssystemen über Energiewandler, Speicherbänke, Ortungen und Schutzschirmsysteme bis hin zu den Triebwerkssektoren.
Der Teufel, das wusste man heute, steckte dennoch wie so oft im Detail.
Nach dem Schock der Hyperimpedanz-Erhöhung hatten längst eingemottete Technologien unerwartet eine Renaissance erlebt. Sie waren robust und wenig störanfällig. Vor allem unter Extrembedingungen einsetzbar, denen hochgezüchtete empfindliche Apparaturen nicht mehr gewachsen waren.
Die SKARABÄEN galten als vielfältig
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