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2441 - Die letzten vierzig

Titel: 2441 - Die letzten vierzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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in Tablo Guz, und bedrückende Stille statt der früher allgegenwärtigen Musik, der fröhlichen oder traurigen, von Liebe oder Leid kündenden Gesänge aus verschiedensten Kehlen, Membranen und sonstigen Stimmorganen.
    Die Bürgermeisterin erinnerte sich gut an ihre Stadt. Wunderschön war sie gewesen, ein ebenso friedvoller wie geschäftiger Schmelztiegel der Völker und Kulturen.
    Bis die Traitanks gekommen waren.
     
    *
     
    Manche behaupteten, der beste Platz, eine Ansiedlung zu betrachten, sei von ihrem hässlichsten Gebäude aus; weil einem dessen Anblick dann logischerweise erspart blieb.
    Auf Tablo Guz traf dies ganz besonders zu. Der Bürgermeisterin brach schier das Herz, wenn sie ihre Sehschwingen auf die entseelte Altstadt gerichtet hielt.
    Aber den Magen drohte es ihr zu heben, als sie sich wieder umwandte und, immer noch in gekrümmter Haltung, über den kalten, dumpfgrauen Stahl der Plattform auf das monströse Portal zuging.
    Die Kuppel, in deren Wandung es eingelassen war, bestand aus einem fast schwarzen, seltsam schimmernden, glatten, dennoch unstet strukturierten Material, das ebenso wenig auf diese Welt gehörte wie die ganze Konstruktion. An sich war sie gar nicht hervorstechend groß. Weder an Höhe noch an Volumen, schon überhaupt nicht an architektonischer Qualität konnte sie es mit den Wolkenkratzern der Metropole aufnehmen.
    Den Unterschied machte der Ort, an dem die Kuppel stand: mitten auf dem schmalen Hügelkamm zwischen Alt- und Neustadt. Bevor die Invasoren den Fremdkörper dorthin geklotzt hatten, kunstlos in Fertigbauweise zusammengeschustert, war dies der wichtigste und daher am meisten frequentierte Verkehrsknotenpunkt von Tablo Guz gewesen.
    Die Straßen für Rad- und Luftkissenfahrzeuge, die Leitschienen und Röhren der Schwebebahnen, die Rollsteige für die Fußgänger und Duofahrer – sämtliche Verkehrswege führten ober- oder unterirdisch über diese Schnittstelle zwischen der Insel und dem Hinterland.
    Sogar die Luftkorridore der Prallfeld-Gleiter verliefen parallel zur Landbrücke, weil der Fluss Ogitz von alters her als heilig galt und nach Möglichkeit nicht von profaner Technik verunreinigt werden sollte.
    Just auf diese Kuppe, an die heikelste Stelle der ganzen Stadt, setzten die neuen Herrscher ihre Machtzentrale. Nicht etwa aus Unsensibilität, ganz im Gegenteil: Die Wahl dieses Standorts demonstrierte, ja manifestierte brutales, hemmungsloses Geltungsbedürfnis.
    Zwar bestanden die Verbindungen von hüben nach drüben in eingeschränktem Maß weiter. Jedoch konnten sie jederzeit abgesperrt werden, beispielsweise durch eine simple Energieschranke, die von der Kuppel aus errichtet wurde und auch die Tunnel blockierte.
    Wir klemmen euch die Lebensader ab, hieß das, wann immer Wir wollen.
    Wobei das „Wir", großgeschrieben, für den Statthalter der Terminalen Kolonne TRAITOR stand, für Kalbaron Lyngiffer Xath.
     
    *
     
    „Ich grüße Euch untertänigst, o huldvoller Eparch, Krone der Gelehrsamkeit, Quell von Labsal und Erbauung! Gewährt Ihr mir Nichtswürdigem, meine von Sünden befleckten Schwingen zu erheben und Euch in Eurer Glorie zu schauen?"
    „Aber gewiss doch, freilich, geschätzte Bürgermeisterin, steh auf, bitte schön, tritt näher, nimm Platz! Tststs ... Wie kommt ihr lieben Leutchen nur immer auf diese entzückend blumigen Ausdrücke für die aufrichtige Zuneigung zu eurem Gönner?"
    Das wusste Lyngiffer ebenso gut wie Davam-Düür: Sein eigener Adjutant hatte ihr die Folie zugesteckt, von der sie jenen Begrüßungstext ablas, an dem sich der Despot heute ergötzen wollte. Dass sie beide so taten, als himmle sie ihn aus freien Stücken und ehrlicher Bewunderung an, verstärkte ihre Demütigung und erhöhte seinen Genuss.
    Sie richtete sich auf, ging zum Tisch und erkletterte den Stuhl, der wie alle Möbelstücke in der Station zu groß dimensioniert für Attavennok war. Die Sitzgelegenheit ließ sich beliebig verstellen; sie an Davams Körpermaße anzupassen hätte keinerlei Aufwand erfordert. Aber so konnte sich Lyngiffer Xath natürlich viel besser an seiner Überlegenheit weiden.
    Der Ganschkare lümmelte im nach hinten gekippten Lehnsessel. Zerzaust standen die grauen Federn vom schmalen Schädel ab. Schnabel und Uniform waren mit Flüssigkeitsspritzern und Speiseresten bekleckert.
    Seine Ungepflegtheit und der verlotterte, müllverseuchte Zustand des ganzen Büros standen in scharfem Kontrast zu Lyngiffers manierierter, salbungsvoller

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